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Tote Maedchen schreiben keine Briefe

Tote Maedchen schreiben keine Briefe

Titel: Tote Maedchen schreiben keine Briefe
Autoren: Gail Giles
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Geschirr angeordnet. Das war stimmig. Jazz hasste Dinge, die als fertige Garnitur zusammengestellt waren. Sie verwendete Stücke unterschiedlicher Service, abgestimmtes Chaos - das war eindeutig Jazz' Markenzeichen.
    Ich setzte mich an meinen angestammten Platz und trommelte mit den Fingerspitzen auf die Eichenholzplatte, während ich wartete.
    Jazz drückte die Tür auf und führte Mom herein.
    Mom presste die Hände zusammen. »Ach Gott, all das zusammengewürfelte Geschirr. So hat der Tisch nicht mehr ausgesehen, seit Jazz weg ist.« Ihr kamen die Tränen. Dann weiteten sich ihre Augen. »Ich meine, seit du weggegangen bist.« Moms Stimme klang schuldbewusst. »Ich habe mich so daran gewöhnt, von dir zu sprechen, als seist du nicht hier.«
    Jazz küsste sie auf die Wange. »Das verstehe ich doch, Mom. Jetzt entspannen wir uns und lassen uns den Salat schmecken.« Sie half Mom, Platz zu nehmen, und setzte sich dann auch.
    »Weißt du, in New York bin ich immer am Samstagmorgen auf Flohmärkte gegangen und hab einen Teller hier und eine Tasse oder einen Unterteller da gekauft. Ich hatte nicht zwei Geschirrstücke, die zusammenpassten. Und alle Tischsets hatten unterschiedliche Farben oder Muster.«
    Mom seufzte. »Ich könnte den Tisch nie so decken. Ich hätte immer das Gefühl, Momma müsste sich jeden Augenblick auf mich stürzen und mich auf mein Zimmer schicken. Bei Momma brichst du keine Regeln. Und zusammenpassendes Geschirr war eine heilige Regel.« Sie lächelte, während Jazz den Salat mischte, und hielt dann ihren Teller hoch, damit Jazz ihn füllen konnte.
    Anschließend häufte Jazz Spinatsalat auf ihren eigenen Teller und legte das Salatbesteck zurück in die Schüssel. Ich spannte angesichts dieser absichtlichen Kränkung den Kiefer an und bediente mich selbst.
    »Ich erinnere mich. Ich habe sogar meiner Mitbewohnerin von Momma erzählt.« Jazz kicherte und goss Tee ein. »Sie konnte nicht glauben, dass Oma bei solchen Kleinigkeiten so pingelig ist.«
    »Sie hat jeden einer genauen Prüfung unterzogen und bei jedem fand sie Fehler«, ergänzte Mom. »Nur bei dir nicht, Jasmine. Alles, was du tatst, fand sie bezaubernd.«
    »Aber Sunny ist ihr ähnlicher«, warf Nicht-Jazz ein.
    Die echte Jazz war immer subtil gewesen. Sie tötete dich nicht mit dem Pfeil, sondern mit der Infektion, die er verursachte.
    »Oma Wilson ist der zurechnungsfähigste Mensch in unserer Familie«, erklärte ich. Für mich war immer schon der offene Angriffskrieg charakteristisch.
    »Sie ist gemein zu Mom«, sagte Jazz. »Sie ist weggezogen, bevor du das wirklich begreifen konntest.« Jazz goss erst Mom und dann sich Eistee ein, anschließend wandte sie sich mir zu und füllte auch mein Glas. Dabei schenkte sie mir ein knappes, herablassendes Lächeln.
    Dieses Mädchen schaffte es, mir das Gefühl zu geben, nutzlos, dumm und unerwünscht zu sein, genau wie Jazz, aber es war nicht meine Schwester.
    Ich knallte meine Gabel auf den Tisch. Ich musste der Sache auf den Grund gehen. Als ich aufsah, starrten Jazz und Mom mich an.
    »Was ist los mit dir, Sunny?« In Moms Stimme schwang Missfallen.
    »Nichts, ich meine, mir ist etwas eingefallen, was ich erledigen muss, bevor es zu spät wird.«
    »Und das wäre was?«
    »Ich, ähm ...« Ich suchte krampfhaft nach einer plausiblen Geschichte, um Jazz' Argwohn einzudämmen.
    »Ich dachte, ich ...« Und da hatte ich einen Geistesblitz. »Ich denke, ich lasse morgen die Schule ausfallen. Ich möchte mehr Zeit mit dir verbringen. Wir gehen zurzeit noch mal den ganzen Stoff für die Abschlussprüfungen durch und ich bin davon befreit. Einer der Vorteile, wenn man kein Sozialleben hat - gute Noten.« Jazz ließ sich vielleicht nicht täuschen, aber vor Mom würde sie keine Szene machen.
    »Ich rufe Ms Collins an und sage ihr, warum ich nicht komme.«
    Mom ließ die Gabel fallen. »Das tust du nicht!« Sie packte mich am Handgelenk, als wollte sie mich mit Gewalt davon abhalten, zum Telefon zu gehen.
    »Mom?« Ich sprach ruhig, um sie zu beschwichtigen.
    »Du meine Güte.« Mom ließ mich los und zwang sich zu einem Lächeln. »Ich wollte nicht schreien, Liebes. Ich möchte nur nicht, dass du irgendjemandem erzählst, Jazz sei zu Hause.«
    »Warum nicht, Mom?« Immer noch bemüht, sie zu beruhigen, fragte ich nur behutsam nach.
    »Ich will Jazz eine Weile für mich haben. Wenn du es erst mal Myra Collins erzählt hast, weiß es bald die ganze Stadt. Das Telefon steht dann nicht mehr still und
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