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Tote Kehren Nicht Zurück

Tote Kehren Nicht Zurück

Titel: Tote Kehren Nicht Zurück
Autoren: Granger Ann
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Gewirr aus Fragen und verneinenden Antworten.

    »Sie muss doch irgendwie hierher gekommen sein! Sie kann doch nicht aus dem Nichts kommen!«, beharrte der erste Fragesteller.

    »Seht euch doch nur um!«, fügte er hinzu und beschrieb eine weit ausholende Geste mit kräftigem Arm.

    »Wir sind meilenweit von jeder Ansiedlung entfernt. Hier gibt es nichts als Felder!« Dennoch wollte niemand die junge Frau auf dem Parkplatz abgesetzt haben, und niemand hatte gesehen, wann sie gekommen war.

    »Als wäre sie mitten aus dem Nichts materialisiert«, sagte jemand, und Wally, beileibe kein abergläubischer Mann, fröstelte plötzlich trotz der stickigen Hitze in seinem Imbisswagen.

    Eddie bereute seine Hilfsbereitschaft schon, noch bevor er seinen Lastzug erreicht hatte. Von Zweifeln erfüllt kletterte er in das Führerhaus. Die Vertrautheit seiner Fahrerkabine, der leicht verschwitzte Geruch, das Maskottchen, ein CornwallKobold, der Schnappschuss von seiner Frau, mit Tesafilm neben dem Tachometer angebracht, all diese Dinge konnten ihn nicht beruhigen. Stattdessen schienen sie ihn unaufhörlich daran zu erinnern, dass er eine eiserne Regel gebrochen hatte.

    Die junge Frau kletterte geschickt auf der Beifahrerseite in die Kabine und gesellte sich zu ihm. Eddie bedachte sie mit einem verstohlenen Blick, während sie ihren Khakibeutel unter dem Beifahrersitz verstaute. Sie war ungefähr so alt wie seine eigene Tochter. Auch Gina hatte lange Haare und trug sie hinter dem Kopf zusammengebunden, doch da endeten die Ähnlichkeiten auch schon. Diese junge Frau hier hatte etwas an sich, eine Aura, einen Touch von etwas Undefinierbarem, der Gina vollkommen fehlte. So stolz Eddie im Allgemeinen auf seine Tochter war, nun spürte er so etwas wie Neid.

    Es war nicht so, als wäre die junge Frau modisch gekleidet. Sie trug die üblichen Jeans und komische braune Lederstiefel, die bis zu den Knöcheln reichten. Nicht von der Sorte, die man schnüren musste, sondern altmodische Dinger mit elastischen Gummis in der Seite, die wahrscheinlich eine ganze Menge Kohle gekostet hatten. Gina stand mehr auf die modischen Accessoires, und sie waren so gut wie immer überteuert. Diese Stiefel hier sahen nach allerbester Qualität aus, keine Billigproduktion aus dem Fernen Osten oder Südamerika, die nur eine Saison und einen flüchtigen Trend lang halten musste. Die Jacke, dunkelbrauner Tweed mit ledernen Ellbogenschonern, war ebenfalls Qualität. Darunter trug sie eine dunkle Bluse und einen gelben Männerschal um den Hals. Eddie beobachtete, wie sie den Schal herunterzog und ihn in ihrem Schoß festhielt, während sie nach vorne sah.

    Ihr Haar stand in grellem Kontrast zu dieser demonstrativen Schlichtheit. Im schwachen Licht der Kabine sah es aus, als würde es von innen heraus leuchten. Er fühlte sich an einen polierten Messingleuchter in einer Kirche erinnert, in dem sich die tanzenden Kerzenflammen ringsum spiegelten. Es wurde im Nacken von einem Band zusammengehalten, von wo es zur Seite und über eine Schulter fiel. Eine Locke hatte sich gelöst und hing ihr ins Gesicht. Es sah nicht unordentlich aus. Es sah aus, als sollte sie dort hängen. Sie hatte eine wunderbare Haut. Gina hatte Pickel und gab ein Vermögen für Aknemittel aus.

    Er legte den Gang ein und lenkte den Sattelzug vom Parkplatz, während er sich der beobachtenden Augen aus der Richtung von Wallys Imbissbude bewusst war.

    »Ich hab eine Tochter in Ihrem Alter«, sagte er.

    »Sie heißt Gina.«

    »Oh, tatsächlich?« Die Antwort war höflich desinteressiert. Ein wenig verärgert fragte er:

    »Und wie heißen Sie?«

    »Kate.« Na wunderbar, dachte Eddie düster. Ihre Bekanntschaft war

    erst ein paar Minuten alt, und schon jetzt fühlte er sich, als wären fünfundzwanzig Jahre seines Lebens einfach von ihm abgefallen. Er war wieder ein schüchterner Jugendlicher, der versuchte, in einer Bar oder auf einer Party ein Mädchen anzugraben, ein Mädchen, das mit einer anderen Gruppe gekommen war. Ein Mädchen, von dem er sehr schnell erkannte, dass es in einer anderen Liga spielte.

    »Dann wohnen Sie also in Bamford?«, erkundigte er sich mit einer Jovialität, die weder ihn selbst noch sie täuschte.

    »Nein. Ich besuche jemanden.«

    »Kommen Sie von weit?«

    »Weit genug.« Eine Pause.

    »London.« Sie hob eine Hand und schob ihre langen blonden Haare nach hinten, sodass er ihren makellosen Hals sehen konnte. Mit größerem Bedauern als je zuvor, dass er sich in
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