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Tote Hunde beißen nicht: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)

Tote Hunde beißen nicht: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)

Titel: Tote Hunde beißen nicht: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)
Autoren: Dietrich Faber
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den Kopf. «Laut Fahrplan müssten wir schon längst in
Hannover
sein.»
    «Ach, Günther», sagt meine Mutter und beginnt nun auf ihrem Tischchen adrett ein paar weitere Apfelschnitze zurechtzuschneiden.
    Die Erschöpfung drückt meine Augenlider für eine kurze Zeit nieder.
    «Die Fahrscheine bitte», ertönt eine gravitätische Stimme. Im ersten Moment denke ich, es sei mein Vater, dann aber reckt ein Schaffner die Hand ins Abteil.
    «Henning, reiche dem Herrn Schaffner bitte die Dokumente», befiehlt mein Vater und fuchtelt in Richtung Ablage. Ich stehe auf und krame in meinem Rucksack.
    «Mein Sohn wird hergehen und Ihnen die passenden Dokumente zur Ansicht und Prüfung aushändigen respektive vorzeigen, wenn er denn mal so weit ist.»
    «Das geht sooo aber nicht», sagt der Schaffner nun, mit Blick auf Berlusconi und Charlie. «Die Hunde haben Maulkörbe zu tragen.»
    «Maulkörbe? Oh, das wusste ich nicht», entgegne ich zaghaft. «Die habe ich … äh, jetzt nicht.»
    Der stämmige Bahnangestellte, der ein bisschen aussieht wie eine Mischung aus Axel Schulz und Joschka Fischer, wiederholt stoisch und konsequent an mir vorbeiblickend: «Die Hunde haben Maulkörbe zu tragen.»
    «Entschuldigung, wie gesagt, das ist mir entgangen, wie soll ich denn jetzt, also woher bekomme ich denn jetzt …?»
    «Die Hunde haben Maulkörbe zu tragen!»
    Melina tut das Falscheste und zischt: «Ja, Mann, wir haben’s ja jetzt gehört.»
    « MELINA », schimpft ihre Großmutter.
    «Dann muss ich Sie bitten, in Hannover auszusteigen.»
    «Das kann doch nicht Ihr Ernst sein», entfährt es mir. «Wir passen doch auf und bleiben mit den Hunden bis Berlin hier im Abteil.»
    Der Schaffnerriese schüttelt den Kopf: «Die Hunde müssen …»
    «… Maulkörbe tragen», beendet nun Laurin den Satz.
    «Sie können uns doch nicht allen Ernstes in Hannover aus dem Zug werfen», sage ich in flehendem Tonfall.
    «Und ob ich das kann!»
    «Schauen Sie mal, ich habe sehr alte Menschen dabei, das können Sie denen doch nicht antun.»
    Ich ernte vernichtende Blicke von meinen Eltern.
    Nun gibt es nur noch eine Chance. Hopp oder topp, ich spiele die letzte Karte.
    «O.k.», sage ich, stehe auf und gehe auf den Schaffner zu. «Hauchen Sie mich doch bitte einmal an.»
    «Wie bitte?», bellt er zurück.
    «Hauptkommissar Henning Bröhmann», schmettere ich ihm ins Gesicht und zücke meinen Dienstausweis. «Ich habe leider den Verdacht, dass Sie nicht vollkommen nüchtern Ihren Dienst verrichten. Wollen Sie, dass ich das überprüfen lasse?»
    Bitte, bitte, lieber Schaffner, flehe ich stumm, bitte, bitte, hab was getrunken, sei ein nettes kleines Säuferlein, das sich gern mal das ein oder andere Schnäpschen in den Morgenstunden gönnt.
    Der Mann bleibt stumm.
    «Oder liegt es auch in Ihrem Interesse, dass wir uns anderweitig einigen?», lege ich nach. Ich warte auf seine Antwort. Er starrt mich ausdruckslos an.
    «Anderweitig find ich gut», sagt er dann und verlässt ohne ein weiteres Wort das Abteil.
    Melina kichert, Laurin ist stolz, meiner Mutter steht der Mund offen, und mein Vater maßregelt mich: «Junge, wie kann man nur hergehen und seinen Polizeidienstgrad derart missbrauchen? Es fällt mir sehr schwer, darüber hinwegzusehen … Außerdem liegen wir nun schon acht Minuten hinter der fahrplanmäßigen Zeit.»
    Bei der nächsten gemeinsamen Reise packe ich Maulkörbe ein, so viel steht fest. Drei!
     
    Warum kann ich meine Eltern nicht einfach mal nett finden? Ich komme mir vor wie ein Dauervierzehnjähriger, dem nichts peinlicher ist als seine Erzeuger. Mit nunmehr vierzig sollte man diese Phase doch eigentlich überwunden haben. Meine sechs Jahre ältere Schwester Ulrike hat es vermutlich richtig gemacht. Sie hat damals die Zeichen der Zeit erkannt und ist direkt nach dem Abitur in die Ferne gezogen. Kommt sie einmal im Jahr zu einem Familientreffen zu Besuch, wird sie von unseren Eltern wie eine Kaiserin empfangen, während ich von meiner Mutter angeherrscht werde, ich soll meiner Schwester Kaffee nachschenken. Das Verhältnis zu Ulrike ist, nicht nur deswegen, sagen wir mal … distanziert.
    Wenn man in Betracht zieht, dass es so etwas wie eine naturgegebene Liebe von Eltern zu ihrem Kind und umgedreht gibt, wird hier einmal mehr bewiesen, dass das Spektrum der Liebe sehr breit zu fassen und überhaupt ein weites geheimnisvolles, unergründliches Feld ist. Ich weiß, es gehören zwei Parteien dazu, wenn es in einer Beziehung
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