Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tote Hunde beißen nicht: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)

Tote Hunde beißen nicht: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)

Titel: Tote Hunde beißen nicht: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)
Autoren: Dietrich Faber
Vom Netzwerk:
angestrengt.
    «Auf was? Auf Berlin?»
    Franziska nickt.
    «Ja, auf Berlin an sich schon, auf meine Eltern im Gepäck allerdings weniger.»
    Man muss wissen, meine Eltern sind recht anstrengend. Vor allem, wenn sie im Doppelpack auftreten. Jeder für sich alleine ist es allerdings auch.
    «Das wird schon», macht mir Franziska Mut. «Melina und Laurin sind als Puffer doch auch dabei.»
    Meine inzwischen sechzehnjährige Tochter ist seit Tagen mit nichts anderem beschäftigt, als sich auf diesen Trip zu freuen. Wer mag es ihr verdenken? Sie lebt seit ihrer Geburt in einem sehr, sehr stillgelegten Kurort am Rande des sehr undicht besiedelten Vogelsbergs. Da möchte sie auch einmal etwas anderes sehen als Wiesen, Felder, Felder und Wiesen.
    Auch der siebenjährige Laurin fiebert der Reise entgegen und freut sich besonders darauf, mit Prominenten aus Wachs fotografiert zu werden.
    «Und Berlusconi und Hitler kommen auch mit, oder? Dann müsst ihr unbedingt zum Olympiastadion, da wird sich Hitler doch ganz besonders freuen», switcht Franziska zurück in den Scherzmodus.
    «Charlie», korrigiere ich und hebe mahnend den Zeigefinger. «Er heißt Charlie, nicht Hitler.»
    «
Du
hast ihn doch immer so genannt.»
    «Jaja, ich weiß, aber ich reiß mich zusammen, wegen der Kinder.»
    Das Problem: Berlusconis unehelicher Sohn sieht eben leider so aus.
    Er hat in der Mitte seiner flachen hellen Schnauze ein schwarzes Fleckchen, und die schwarzweiß gescheckte Stirn gleicht einer strengen Scheitelfrisur.
    Offiziell aber heißt unser Jüngster nun Charlie. Nach Charlie Chaplin.
    Ich schaue auf die Uhr. Noch zehn Minuten, dann ist die Zeit um. Dann steht Franziska auf und schlendert zurück in ihre Zelle, während bei uns die Sommerferien beginnen.
    «Ich bekomme Stressgefühle», klage ich, «wenn ich im Zusammenhang mit einer Bahnfahrt an meine Eltern, an zwei Hunde, an unsere Kinder und an die siebzehn Koffer meiner Mutter denke.»
    Franziska grüßt derweil eine Häftlingskollegin, die sich am Nebentisch zu einem Mann setzt, den ich bitte niemals nachts alleine im Parkhaus treffen möchte. In solchen Momenten fällt mir wieder ein, wo ich hier bin.
    Ich wiederhole meinen selbstmitleidigen letzten Satz und ernte erneut kein Mitgefühl. Eher werde ich subtil ausgelacht.
    «Du hast gut lachen. Machst dir hier in diesem Wellnesshotel für Schwerverbrecher ein schönes Leben und lässt mich mit der Großfamilie Bahn fahren.»
    Franziska grinst weiter.
    Ich hasse Bahn fahren. Wann immer es irgend möglich ist, benutze ich das Auto. Ökologie hin oder her. Das mag vor allem daran liegen, dass man im Vogelsberg im Nahverkehr die sogenannte Hessische Landesbahn, kurz HLB , zu benutzen hat. Eine Bahn, die nicht selten von gehbehinderten Fußgängern überholt wird und alle drei Minuten mit quietschenden Bremsen an irgendeinem Misthaufen stoppt. Wenn neben so einem Misthaufen noch eine Gartenhütte und ein Schild zu erkennen sind, dann sprechen wir hier von einem Bahnhof.
    Doch auch das Bahnreisen per ICE in die große weite Welt versuche ich zu meiden. Das liegt nicht nur an der Bahn an sich, sondern vor allem an den Menschen. Es sind einfach zu viele auf zu engem Raum. Jedenfalls in der zweitklassigen Gesellschaft, zu der ich mich aufgrund meines eher mäßig bezahlten Polizeiberufes zählen muss. Ich möchte aber weder Schulter an Schulter mit schwer atmenden Geschäftsmännern sitzen noch Knie an Knie mit rülpsenden Bundeswehrsoldaten.
    «Henning, hörst du mir überhaupt zu?», reißt mich meine Knastgattin aus den Gedanken.
    «Ja, klar», lüge ich, und dann ist die Zeit auch schon um.
    Wir verabschieden uns kurz und unaufgeregt, ehe ich zu meinem Auto zurückkehre, wenig später am Bad Homburger Kreuz im Stau stehe und mir dabei laut fluchend die Nachteile des Autofahrens bewusstmache.
     
    Es wird guttun, einmal etwas anderes zu sehen als die ewig gleichen oberhessischen Hügel. Diese Hügel, die ich seit meiner Geburt kenne.
    Man mag es mir kaum glauben, aber ich freue mich auf die Berliner Großstadthektik. Ich werde es genießen, nicht jeden Menschen, der mir entgegenkommt, grüßen zu müssen. Vergesse ich das hier nämlich einmal leichtfertig, wenn ich beispielsweise verträumt meinen Gedanken nachhänge, dann werde ich mit einem «Aahhh, der Herr Bröhmann kennt einen auch net mehr» aus gesicherter Entfernung abgestraft. Den Vogelsberg dauerhaft zu verlassen ist mir früher nicht in den Sinn gekommen. Doch in den letzten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher