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Tote gehen nicht

Tote gehen nicht

Titel: Tote gehen nicht
Autoren: Carola Clasen
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tröstlich.«
    »Hast du gesehen, wie sie Edgar anhimmelt?«
    »Ja«, sagte Sonja, »sieht aus, als könne sie damit nie wieder aufhören.«
    »Je nun«, meinte Wesseling.
    Sie seufzte zufrieden. »Edgar, der Gute, als Chef einer Privatklinik. Lutz, der Betrüger und Verräter, im geächteten Abseits. Rita, die Mörderin, in Haft. So mag ich meinen Job.«
    »Du hast Helena Finn vergessen und Anna Grund.«
    »Ja«, maulte sie. »Und den armen Guido mit dem Streifschuss, dem du die Kreuzfahrt mit deiner internationalen Fahndung vermasselt hast. Und mich.«
    »Da sind wir« verkündete Wesseling und bog in den Feldweg ein, an dessen Ende das Forsthaus lag. Er parkte großräumig davor, öffnete die Gartentür und steuerte mit Sonja am Arm die Ofenbank an. Er wischte mit der Hand über die Sitzfläche, sie war feucht vom Regen. »Du wirst im Stehen rauchen müssen.«
    »Ich rauche doch nicht mehr!«, protestierte Sonja entsetzt und schüttelte den Kopf. »Seit Wochen nicht mehr.« Waren es drei oder vier? Sie hatte das Zeitgefühl verloren.
    »Ich vergaß.« Auf der Türschwelle lag ein kleines Päckchen in Alu-Folie. Er bückte sich, hob es auf und reichte es ihr. Sie öffnete es. Es war eine tote Maus.
    Wesseling blickte naserümpfend in eine andere Richtung.
    »Das ist ein Geschenk für West«, erklärte sie ihm und hielt Ausschau nach den Nachbarskindern. Schade, dass sie sie verpasst hatte. Wollten sie nicht erst am Samstag wiederkommen. War heute etwa Samstag? Was würde aus der Kuchenmischung? Sonja warf die Maus in die Mülltonne, steckte den Schlüssel ins Schloss und bat Wesseling, sich gegen die Haustür fallen zu lassen.
    »Dreimal?«, fragte er.
    »Wie oft denn sonst?«
    Während Sonja es sich im Ohrensessel bequem machte, die Wanderschuhe auszog, das rechte Hosenbein hochkrempelte, den Fuß auf einen herbeigezogenen Stuhl legte und sich einen Strohhalm gönnte, sah Wesseling sich prüfend um. Er registrierte ihre neue Küchenausstattung mit Wohlwollen und entdeckte auch die Kuchenmischung, die Sonja gekauft hatte, um die Nachbarskinder zu verwöhnen.
    Sie werden wiederkommen, tröstete sie sich. Sie hatte ihnen eine Runde im Polizeiauto versprochen, das werden sie sich nicht entgehen lassen. Morgen früh würde sie Marmorkuchen backen. Eine schöne Vorstellung, bei der sie fast glaubte, den ergreifenden Duft des warmen Kuchens zu riechen.
    Wesseling hob den Tischkalender der BzgA hoch. »17. Tag«, las er vor. »Hat man den blauen Dunst erst mal entfernt, sieht man klar. Rauchen vernebelt Geist und Sinne.«
    »Ich habe seit Helenas Tod kein Blatt mehr abgerissen«, erklärte Sonja.
    »Dann bist du seit exakt drei Wochen Nichtraucherin«, rechnete Wesseling vor, riss das Blatt ab und auch die nächsten vier. Mit dem Slogan des Tages: » Sind Sie nicht froh, sich von dem Laster befreit zu haben? « stellte er den Kalender zurück.
    Doch, dachte Sonja und kaute auf dem Strohhalm, das bin ich. Es war ihr leicht gefallen. Es war fast wie nebenher geschehen. Sie hatte es sich schlimmer vorgestellt. Aber sie durfte sich auch nichts vormachen, drei Wochen, das war noch nicht für immer.
    Sie beobachtete, wie West um Wesselings Beine herumstreifte, während dieser in ihrem Tai-Chi-Lehrbuch des Altmeisters Bai-Lui-Ze-Yong blätterte. West mochte den seltenen Besucher, weil er ihn ignorierte. Wesseling mochte ihn nur, solange er ihm nicht auf den Schoß sprang. Das hatte West einmal getan, irrtümlich, und danach nie wieder. Sie wussten beide, wie weit sie gehen konnten.
    »Kannst du ihn füttern?«, bat Sonja.
    »Wie geht das denn?«, fragte Wesseling entgeistert.
    »Ganz einfach. Dose auf, und das Zeug in den Napf. Das Futter steht drüben.« Sie wies mit dem Kinn zu einem Vorratsschrank am Ende ihrer neuen Küchenzeile.
    Wesseling sprach leise zu West, während er ihm seinen Napf auffüllte. Sonja tat, als habe sie nichts gehört. Als der Kater zufrieden herumschmatzte, betrachtete Wesseling mit sorgenvoller Miene ihr rechtes Bein und fragte: »Wo finde ich ein Handtuch?«
    »Oben im Bad.«
    Er kam mit einem weißen Handtuch herunter, hielt es unter den Wasserhahn, wrang es aus, bis es nicht mehr tropfte, und legte es auf das lädierte Bein. Sie verzog das Gesicht.
    »Das war keine gute Idee.«
    »Hast du wieder Rum im Haus?«
    »Nicht wieder. Noch. Sieh mal im Abstellraum nach.«
    Als er zurückkam, trug er eine verstaubte Flasche in der einen Hand, mit der anderen scheuchte er ein Spinnennetz beiseite, das in
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