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Tote gehen nicht

Tote gehen nicht

Titel: Tote gehen nicht
Autoren: Carola Clasen
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Klopfzeichen würden sie in Verbindung bleiben, sich beim gemeinsamen Hofgang sehnsüchtige Blicke zuwerfen, so lange bis er endlich das Loch in die Mauer gegraben hatte, um zu ihr zu gelangen. Jede Nacht käme er zu ihr gekrochen, ein Leben lang.
    Sie wählte weder die Insel noch das Gefängnis, sondern den Kompromiss und klickte sich auf dem Link zur Online-Buchung. Im Monat Mai konnte sie nur noch vom 8., dem Samstag vor Urlaubsbeginn, bis zum 16. buchen. Kein Problem, denn das Personal hatte in der   Klinik am Wald   keine Wochenendschicht vor Urlaubsbeginn. Im Gegenteil, auf diese Weise blieben Edgar und ihr fünf freie Tage   danach . Fünf lange Tage und Nächte, in denen alles wie früher sein würde. Spätestens danach würde es in seinem Kopf keinen Platz mehr für ein Gespenst geben. Sie würde es wieder sein, um die alle seine Gedanken kreisten, Rita Funke. Sie war es schon einmal. Sie würde es wieder sein. Sie spürte es ganz deutlich.
    Die Reiseunterlagen sollten erst vier Wochen vor Reisebeginn zugestellt werden, entnahm sie irritiert den Geschäftsbedingungen. Vier lange Monate sollte sie die Überraschung für sich behalten? Wie sollte das gehen? Sie konnte sich doch nicht nur allein freuen!
    Ritas Blick fiel auf das Telefon neben ihr. Sie nahm es aus der Station und suchte Edgars Telefonnummer aus dem Speicher heraus. Sie erschien auf dem kleinen grünen Display. Sie war nur einen Tastendruck von seiner Stimme entfernt. Aber sie kannte Edgars Bedingungen. Sie drückte die Stopp-Taste und legte das Telefon zurück. Auch Mails und Briefe waren tabu.
    Aber von einem Preisausschreiben war nie die Rede gewesen.
    Mithilfe einer   PowerPoint -Vorlage bastelte sie einen eindrucksvollen, offiziellen Gutschein eines fiktiven Unternehmens, ausgestellt auf Dr. Edgar Schramm, auf dem sich keine einzige handschriftliche Zeile befand. Nur unten rechts in der Ecke malte sie ein kleines Zeichen.

    Sie steckte das Werk in einen gefütterten Umschlag und wollte gerade Edgars Anschrift darauf schreiben, als ihr einfiel, dass sie später durch seine Straße fahren würde und den Umschlag genauso gut mitnehmen und in seinen Briefkasten stecken konnte. Dann konnte sie sicher sein, dass die Post ihn nicht verschlampte. Nicht auszudenken, wenn die frohe Botschaft ihn nicht erreichen würde!
    Ehe Rita ihren Rechner ausschaltete, hackte sie sich kurz in Edgars Computer ein. Er war nicht online. Und er hatte seit gestern keine neuen Mails bekommen oder versendet. Alles war ruhig.
    Er wohnte nur zehn Minuten von ihrer Wohnung entfernt. Rita musste nur an der Kreuzung Gerberstraße/Moselstraße links abbiegen. Das Licht hinter allen Fenstern seiner Wohnung im dritten Stock war schon gelöscht, sein Auto stand auf seinem Stammplatz. Ein paar Mal marschierte sie vor seiner Haustür auf und ab. Schritte, die ihr zur Routine geworden waren, ohne die sie später nicht schlafen konnte. Sie hatte es versucht.
    Aber sie brauchte auch die Gewissheit, dass er wirklich in seiner Wohnung war und sich nicht irgendwo herumtrieb, Kontakte suchte und knüpfte. Sie hob einen der kleinen Kiesel auf, die zwischen Hauswand und Bürgersteig lagen, zielte damit gegen sein Schlafzimmerfenster. Der erste Versuch schlug fehl, nach dem zweiten ging sie hinter einem Auto in Deckung. Es dauerte nicht lange, der Vorhang wurde beiseite geschoben und sein Kopf erschien.
    Mit Rührung erkannte sie im Schein der Straßenlaterne sein verschlafenes Gesicht, sein zerzaustes Haar, das weiße T-Shirt, in dem er immer schlief. »Schlaf gut, mein Lieber«, murmelte sie und hauchte ihm einen Kuss zu. »Mach dir keine Sorgen. Alles wird gut.«
    Edgar sah ein paar Mal von links nach rechts die Straße entlang, zog sich dann zurück, der Vorhang fiel zu und Rita näherte sich der Haustür und dem Briefkasten. Sie schob mit der linken Hand die Klappe hoch, aber ein Gedanke ließ sie zögern.
    Wenn der Gutschein einmal im Kasten war, war es zu spät. Wenn sie ihre Meinung änderte und ihn doch lieber auf eine andere Weise überbringen wollte, war das nicht mehr möglich. Sie ließ die Klappe herunterfallen und beobachtete, wie sie nach einem leisen Scheppern zur Ruhe kam. Liebevoll strich sie mit dem Finger über Edgars Namensschild.
    Licht ging im Treppenhaus an. Sie trat in den Schatten. Ein Mann kam mit einem kleinen, schwarzen Hund heraus und spazierte mit gesenktem Kopf davon. Die Haustür fiel so langsam hinter ihm zu, dass es einen Moment gab, in dem Rita sie
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