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Tote gehen nicht

Tote gehen nicht

Titel: Tote gehen nicht
Autoren: Carola Clasen
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Rita. Sie ließ den Bus davonfahren und machte sich zu Fuß auf den Weg nach Hause. Sie hatte es nicht so weit. Sie wohnte in der Nähe des Stadtparks.
    Ihre Schritte wurden schneller und leichter. Sie knöpfte ihren Mantel auf. Ihr freier Arm schwang locker an ihrer Seite. Ihre Schultertasche flog auf den Rücken. Man hätte bei ihrem Anblick meinen können, sie liebe nichts mehr als Schneeregen und Temperaturen unter null Grad. Beides war nicht der Fall. Es war die Idee, die sie wärmte.
    Zu Hause ließ sie Mantel, Schirm und Tasche in der Diele fallen. Die Schuhe streifte sie von den Füßen, als sie schon am Schreibtisch saß und ihren Rechner hochfahren ließ. Ungeduldig rieb sie ihre klammen Hände, während sie auf die Startseite wartete.
    Sie würde eine Reise buchen. Eine Reise für zwei Personen. Eine Reise für Dr. Edgar Schramm und Rita Funke. Für ihn und sie. Nervös trommelte sie auf den Schreibtisch und schob sich den Pony aus der Stirn. Sie war eine Idiotin, das hätte sie schon vor zwei Jahren machen sollen.
    Nur zu gut erinnerte sie sich an die beiden letzten Urlaube seit ihrer Trennung. Er hatte nichts gebucht, sondern nur spontane Tagesausflüge oder Wochenendfahrten mit dem Zug, dem Fahrrad oder dem Auto unternommen. Wenn er einkehrte, waren seine Hotels nicht die Ersten am Platze, die Restaurants nur Mittelklasse. Er schien zu sparen, aber wofür? Oder hatte er keine Freude mehr am Luxus, seitdem er ohne sie war?
    Während dieser beiden Urlaube war Rita auf dem Sprung gewesen, gejagt, gehetzt, zwei Wochen lang in Angst, sie könnte ihn verpassen oder verlieren. Wenn sie danach völlig erschöpft an ihren Arbeitsplatz zurückkehrte, versuchte sie die spitzen Bemerkungen der Kolleginnen zu ignorieren. Es war nur noch eine Frage der Zeit, dass sie ihnen ausgeliefert war. Bald, als Edgars Ehefrau, würde sie das nicht mehr nötig haben.
    Immerhin wusste sie am Ende der beiden Urlaube, dass er noch keine Neue hatte und auch nicht auf der Suche war. Was nichts anderes bedeuten konnte, als dass er noch an ihr hing, dass er sie noch liebte. Gut zu wissen – und dennoch, sie hatte nichts anderes erwartet.
    Rita ging ins Netz und klickte Fernreisen an. Sie ließ sich von der Fülle der Angebote überwältigen und verlor sich in Träumereien. Feste Vorstellungen kristallisierten sich erst allmählich heraus, während sie durch die Seiten blätterte. Exotisch, luxuriös und einzigartig musste ihre gemeinsame Reise werden. Keine Massenveranstaltung. Ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Eine Reise, zu der Edgar nicht Nein sagen konnte, ganz gleich, was das Gespenst in seinem Kopf ihm befahl. Eine Reise in ein Land, in dem er noch nicht gewesen war. Vier Sterne mindestens, lieber vier plus. Nicht zentral, nicht zu groß, mit romantischen Sonnenuntergängen, einer Bar mit Tanzmusik, Frühstück im Bett ...
    Sie musste tief in die Tasche greifen. Es waren die unvermeidlichen Einzelzimmer, die das Unternehmen richtig teuer machten. Auch wenn sie sicher nur anfangs vonnöten sein würden, weil sie Edgar nicht bedrängen wollte. Nicht lange, und er würde es in seinem Bett ohne sie nicht mehr aushalten, aufstehen, herüberkommen und klopfen ...
    Ritas Blicke glitten vom Monitor zum Fenster. Schwarz und kalt stand die Winternacht dahinter. Es hatte Zeiten gegeben, da konnten ihre Betten nicht nahe genug aneinander stehen, nicht schmal genug sein, da waren sie mit einem einzigen ausgekommen. Sie stand auf und zog die Vorhänge zu.
    Nach langem Hin und Her entschied Rita sich letztendlich für einen Inselurlaub. Zwei Einzelzimmer im Hotel   Selmun Palace , einem Schloss aus dem 18. Jahrhundert, das abseits der Touristenhochburgen auf einem Hügel lag, einen grandiosen Blick über die Insel Malta und das angrenzende Mittelmeer bot und nur auf staubigen, mit wilder Macchia bewachsenen Pfaden zu verlassen war, wozu es keinen Grund gab, da es sich um All-inclusive-Angebot handelte. Edgar, der nicht schnell Kontakte schloss, wäre gänzlich auf sie angewiesen.
    Rita war kurz davor zu buchen, als sie eher aus Versehen auf einen Link geriet, der ihr eine Art zu reisen eröffnete, an die sie im Traum nicht gedacht hatte. Im Prinzip auch ein Hotel, dessen isolierte Lage aber durch nichts auf der Welt zu überbieten war. Höchstens noch durch ein Gefängnis. Rita lächelte versonnen. Welche Vorstellung, Edgar und sie säßen irgendwo ein, auf Lebenszeit, wegen eines unsühnbaren Verbrechens, Zelle an Zelle. Mit
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