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Tote essen kein Fast Food

Titel: Tote essen kein Fast Food
Autoren: Karin Baron
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Geschwätzigkeit gegenüber Leuten, die ich nicht kannte, war mir eigentlich zuwider.
    „Das kenn ich“, sagte er. „Mir drücken sie auch ständig meine kleinen Cousins aufs Auge. Als Beschäftigungstherapie sozusagen und zum Ausgleich dafür, dass ich mit meinem Onkel und meiner Tante hier Urlaub machen darf.“ Er pustete eine seiner blonden Ringellocken aus dem Gesicht. „Max und Moritz sind witzig, aber auch echt anstrengend. Ohne meine Kopfhörer hätten sie mir garantiert schon ein Ohr abgequatscht. Oder zwei.“ Er lachte, was ein Grübchen auf seiner rechten Wange zum Vorschein brachte. Das linkefehlte, sodass sein Gesicht nicht ganz symmetrisch wirkte. Vielleicht hatten sie ihm das schon abgequatscht.
    „Max und Moritz, echt jetzt?“
    „Klar. Und ich bin Jan“, fügte er hinzu, als wären meine Gedanken gerade in Leuchtbuchstaben über meine Stirn gelaufen wie die Schlagzeilen bei der Tagesschau. „Aus Berlin.“
    „Fanny. Hamburg.“
    „Hallo, Fanny. Nett, dich kennenzulernen.“
    Ich spürte, wie ich rot wurde, und hoffte, dass man das unter den roten Punkten nicht bemerken würde. Wie einfach er das sagte. Ohne gleich den Obercoolen geben zu müssen, wie das bei den meisten Typen der Fall war.
    „Danke gleichfalls“, hörte ich mich sagen, während ich aufsprang und mir den Sand aus der Hose klopfte. „Aber jetzt muss ich los.“
    „War’s das schon mit deinen Ferien? Oder besteht die Chance, dir noch mal am Strand zu begegnen?“
    „Bestimmt“, antwortete ich vage, brachte ein schiefes Lächeln zustande und wandte mich zum Gehen.
    „Wo wohnst du denn?“, fragte Jan.
    „Direkt hinter den Dünen. Dort wo der Staub zum Fenster rausfliegt. Oder wo man demnächst Schreie hört, weil ich Klein-Frida den Hals umgedreht habe.“
    Ich ging davon und hätte mich gern noch einmal umgedreht, um zu gucken, ob er mir nachsah. Aber das verbot sich natürlich von selbst.
    „Tschüss dann“, rief er mir hinterher. Ich hob die Hand und winkte, ohne mich umzublicken.
    Als ich nach Hause kam, hatte Martin seine Supermarktbeute in Vorratskammer und Kühlschrank verstaut. Von ihm fehlte jede Spur. Nur Jasper lag träge unter Tante Hedis Boje im Schatten und schnarchte. Ich türmte meine Klamotten zu einem sandigen Haufen und verzog mich für eine Stunde ins Badezimmer. Als ich wieder rauskam, hatten meine Haare und mein Gesicht wieder ihre normale Farbe, und meine Fußnägel leuchteten in metallic Petrol. Jetzt war mir wohler. Nur in meinem Kopf musste ich noch Ordnung schaffen. Aber dafür musste ich erst was in den Magen kriegen.
    Ich holte mir aus der Küche ein halbes Baguette und plünderte Martins maritime Delikatessen in ihren durchsichtigen Plastikbehältern mit dem roten Hummer darauf, die er extra bei Gosch besorgt hatte. Sicher um das Wiedersehen mit Wüsten-Svea auf kulinarisch hohem Niveau zu feiern. Zusammen mit einem Becks Lemon trug ich alles in mein Zimmer, wo ich auf dem Bett das Liebesmahl schon mal vorwegnahm. Nicht schlecht, diese Krebsschwänze. Auch die nackten Nordseekrabben mit Zitrone aß ich bis auf die letzte Babykrabbe auf. Nur die Kingsize-Garnelen ließ ich liegen. Ihre pechschwarzen Stecknadelaugen machten mich immer nervös. Als seien die Biester gar nicht tot, sondern würden sich für den ersten Biss mit einer Attacke ihrer zahlreichen Knickebeine rächen.
    Obwohl es erst halb neun und die Sonne noch immer nicht komplett untergegangen war, verkroch ich mich unter die Bettdecke und vertiefte mich in den blutrünstigen schwedischen Krimi, der auf dem Boden neben meinem Nachttisch lag. Das tat ich immer, wenn ich über etwas nichtnachdenken mochte. So was wie unerwünschte Hausgäste oder unerwartete Strandbegegnungen zum Beispiel. Irgendwann hörte ich Martin unten im Vogelzimmer rumoren. Als er nach oben kam und den Kopf zu mir ins Zimmer streckte, stellte ich mich schlafend. Ein bisschen leiden sollte er schon auch.
    Am nächsten Morgen erwachte ich gegen halb elf, weil mir die Sonne ins Gesicht schien. In Boxershorts und Totenkopf-Schlafshirt tappte ich nach unten, wo Martin schon mit Last-Minute-Arrangements beschäftigt war. Er hatte einen Kornblumenstrauß in einem Bierglas auf dem Küchentisch deponiert und war dabei, mit Tante Hedis vielschwänzigem Feudel den schwarz-weiß karierten Fußboden zu wischen. Zur Begeisterung von Jasper, der versuchte, den Feudel zu fangen, und sich schwanzwedelnd in ihn verbiss, wenn es ihm gelang. Nachdem die beiden Krümel und
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