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Tote essen kein Fast Food

Titel: Tote essen kein Fast Food
Autoren: Karin Baron
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Pferdeschwanz zum Vorschein kam. „Du bist sicher Fanny.“
    „Hey. Intelligenzbestien aus dem All. 100 Punkte. Und von welcher Galaxis kommt ihr?“
    „Aus Hannover“, sagte das kleinere Weltraummonster und schob sein Plexiglasvisier nach oben. Unter zwei dunkelbraunen Knopfaugen und schweißverklebten Ponyfransen grinste mich ein Gesicht an, das mit den vielen dunkelbraunen Sommersprossen darin aussah, als sei ein Glas Nutella davor explodiert. „Ich bin Frida“, sagte es, bevor es sich ebenfalls aus seiner extraterrestrisch anmutenden Kopfbedeckung schälte. „Menno, ist das heiß hier.“
    „Das kann man wohl sagen.“ Fridas Star-Wars-Mutter zippte ihren schräg über die Brust verlaufenden Reißverschluss auf, bevor sie mir lächelnd die Hand reichte. „Schön, dich endlich kennenzulernen, Fanny“, sagte sie. „Ich bin Svea.“
    Mein „Finde ich nicht“ ging in der Slapstick-Nummer meines Vaters unter, der endlich vom Einkaufen zurück war und damit die Begrüßungsformalitäten unterbrach. In diesem Augenblick nämlich blieb Martin mit dem Einkaufsnetz an der Klinke der Gartenpforte hängen und wäre um ein Haar im Heidekraut gelandet. Seine Andy-Warhol-Ray-Ban-sonst-was-Brille hing auf Halbmast über seinem linken Ohr und durch das XL-Loch im Netz purzelten die frisch gefangenen Meerestiere zwischen die Kieselsteine des schmalen Gehwegs. Wie auf Kommando prusteten Svea, Frida und ich los. War es das, was Svea an meinem Vater gefiel? Sein trotteliger Charme? Und Martin? Sveas Anblick schien ihn jedenfalls ganz schön aus dem Tritt zu bringen.
    Während wir zu dritt Krabben & Co. aus den Kieseln klaubten und uns dabei die Finger mit der glitschigen Marinade bekleckerten, in der sie bis zu ihrem unsanften Kontakt mit dem Festland geschwommen waren, rettete Martin sich und die übrigen Einkäufe in die Küche, um einen Begrüßungstrunk zuzubereiten. Nicht ohne Svea zuvor noch kurz durch ihren Pferdeschwanz zu wuscheln. Dabei strahlte er sie an, als sei sie wenigstens Penelope Cruz.
    Kurz darauf saßen die beiden mit einem Glas Ramazotti-Limette auf Eis im Strandkorb. Frida hatte ihren Orangensaft in einem Zug heruntergestürzt und bearbeitete jetzt mit meinem Florett die Boje. Zwar hatte ich ihr erklärt, wie sie den schweren blauen Pistolengriff (der heißt wirklich so) halten musste, aber bei ihr sah es mehr aus wie Speerwerfen. „Oh, Mist“, sagte sie plötzlich und ließ das Florett auf die empfindliche Spitze mit dem Elektrokontaktpunkt fallen. „Marzipan. Wir haben sie draußen vergessen. Sie hat bestimmt schon einen Sonnenstich.“
    „Ach was“, beruhigte Svea sie. „Sie kommt aus den Maisfeldern der amerikanischen Südstaaten. Da ist sie Hitze gewöhnt.“ Aber Frida war schon auf die Straße gelaufen. Als sie wiederkam, trug sie eine große durchsichtige Plastikkiste, die sie mühsam durch die Terrassentür in die Küche bugsierte.
    „Was ist das denn?“ Ich war hinter Martin und Svea her in die Küche geschlendert.
    „Meerschweinchen, siehst du doch“, sagte Frida ironisch. Und damit packte sie das Terrarium mit der orange-roten Schlange darin mitten auf den Esstisch neben die Kornblumen. „Heißt Marzipan.“ Ich fixierte erst Marzipan mit einem Blick, der mindestens so bösartig war wie der seine, dannMartin und verließ schließlich wortlos die Küche. Dabei warf ich so heftig die Tür hinter mir zu, dass Marzipan auf seinem Geröllhaufen vibrierte. „Menno, pass doch auf“, rief Frida mir hinterher und streichelte den Deckel des Terrariums. „Marzipan ist schwanger.“
    Womöglich hätte ich dankbar sein sollen, dass nur unsere beinlose neue Mitbewohnerin schwanger war und nicht auch noch Svea. Aber meine Dankbarkeit hielt sich in Grenzen. Schlangen sind für mich so ziemlich das Ekligste, was es gibt. Schlimmer als Spinnen. Deshalb konnte ich auch die Harry-Potter-Filme im Kino nie angucken. Schlangenmonster im Großleinwandformat und ihr gruseliges Zischen in Dolby-Surround. Nein danke. Was fiel Svea-Frida eigentlich ein? Hätten sie nicht auf ihrem eigenen Planeten in Hannover bleiben können, statt eine Invasion auf meinen zu unternehmen? Mit einer amerikanischen Kornnatter der Gattung „Pantherophis guttatus“ im Gepäck, wie ich im Hinausstürmen noch mitgekriegt hatte. Und was fiel meinem Vater ein, mir dieses Trio infernale zuzumuten? Ohne Vorwarnung und ohne Veto-Recht!
    „Vermisst wird seit gestern Abend, 22.00 Uhr, die siebzehnjährige Mia Sander aus
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