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Tote essen kein Fast Food

Titel: Tote essen kein Fast Food
Autoren: Karin Baron
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Friedrichstadt. Mia Sander ist 1,71 Meter groß, hat schwarz gefärbte, kurze Haare und ist bekleidet mit einer olivfarbenen Hose, schwarzem Kapuzenshirt sowie einem roten Tuch. Sie hat eine weiße Ratte bei sich, mit der sie zuletzt am Busbahnhof Friedrichstadt gesehen wurde. Mia ist möglicherweise verwirrt und benötigt dringend Medikamente. Sachdienliche Hinweise nimmt jede Polizeidienststelle entgegen sowie die Kriminalpolizei Hamburg, Tel. 040/…“
    Als ich vom Oststrand zurückkam, wo ich, wie mir schien, stundenlang im Watt herumgelaufen war und mir den linken Fuß an einer scharfkantigen Austernschale geratscht hatte, saßen sie beim Kaffee auf den rot lackierten Gartenmöbeln. Zum Glück ohne Marzipan. Aber dafür mit Tante Hedis vorsintflutlichem schwarzen Kofferradio auf einem der Stühle. „Cool. Eine weiße Ratte“, nuschelte Frida zwischen zwei Bissen Zimtfranzbrötchen. „So wie die aussieht, müsste sie doch leicht zu finden sein.“
    „Kommt drauf an“, sagte Martin. „Wahrscheinlich ist sie längst am Bahnhof Zoo in Berlin oder am Hamburger Hauptbahnhof. Und da sehen viele so aus.“
    Was für ein Klischee, dachte ich. Das kennt er doch bloß aus „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo. Die Geschichte der Christiane F.“. Die Christiane F. hatte ich als Schullektüre in der achten Klasse gehabt und Martin hatte sich bei einem Heimaturlaub mal kurzfristig von seinen Mumienbüchern abgewandt und es gelesen. Weil er wissen wollte, was seine Tochter so im Kopf hat, wie er meinte. Frag mich doch einfach, wenn du wissen willst, was ich im Kopf habe, hatte ich damals gedacht.
    „Was für ein Klischee“, sagte Svea und ich konnte nicht verhindern, dass sich meine rechte Augenbraue hob. „Kann doch auch was ganz anderes sein. Vielleicht hat sie Liebeskummer. Oder Stress mit ihren Eltern. Oder der Dorfpastor hat sich an sie rangemacht und sie kann es niemandem sagen.“
    „Was für eine blühende Fantasie du hast“, sagte Martin und fuhr mit seinem Zeigefinger über ihren kleinen Finger.
    „Na ja, man braucht ja nur die Zeitung zu lesen.“
    „Die suchen sie aber schon ganz schön lange, diese Mia“, sagte ich. „Das haben wir doch auf der Fahrt hierher schon dauernd im Radio gehört.“
    „Das ist in der Tat ungewöhnlich.“ Martin schenkte Svea und sich Kaffee nach. „Normalerweise senden sie diese Suchmeldungen nur ein, zwei Tage.“
    „Dann kann man dem Mädchen nur wünschen, dass sie genügend Medikamente mitgenommen hat“, sagte Svea.
    „Wo würdest du dich verstecken, Fanny, wenn du abhauen wolltest?“ Während Frida ihr Franzbrötchen mampfte, schienen die Nutellapunkte in ihrem Gesicht zu pulsieren, als würden sie abwechselnd kleiner und wieder größer werden.
    „Keine Ahnung. Willst du mich loswerden oder was?“
    „Also, ich würde hierher fahren. Nach Sylt. Und im Strandkorb von deiner Tante Hedi wohnen.“
    „Und Marzipan? Den würdest du zu deiner Mama in die Wüste schicken? In einem dicken braunen Briefumschlag?“
    „Die“, sagte Frida. „Es muss ‚die‘ heißen. Marzipan ist ein Mädchen. Sonst könnte sie doch nicht schwanger sein.“ Sie leckte ihren Zeigefinger ab. „Marzipan würde ich natürlich mitnehmen. In meinem Rucksack. Aber dann müsste ich bald abhauen, sonst wird sie zu schwer.“
    „Soll das heißen, die wächst noch?“
    „Ja, klar. Sie wird noch ungefähr einen halben Meter länger und sechs Zentimeter dicker. Sie ist noch ziemlich jung.“
    „Ein Teenie und schon schwanger“, sagte ich. „Wie habt ihr das denn hingekriegt?“
    „Das wirst du ja wohl wissen, wie das geht“, sagte Frida. „Hattest du keinen Sexualkundeunterricht in der Schule?“
    Martin brach in schallendes Lachen aus, während ich an Öko-Rebhuhn denken musste. Meinen Biolehrer, der sich einen abgebrochen hatte mit seinen Eierstöcken, Mutterkuchen und der Spermiendichte. Vor allem mit der Spermiendichte, die er bei unserer Generation in Gefahr sah, weil sie dem „Dauergefunke“ der Handys in den Jungs-Hosentaschen ausgesetzt sei. „Seid mal leise, das ist gerade wichtig“, hatte Jonathan gerufen und zum Gejohle der ganzen Klasse demonstrativ sein Handy ausgeschaltet. „Ich will noch Kinder. Wenigstens drei Stück.“
    „Uaaaahlll-Kunde“ hatten wir Öko-Rebhuhns Unterricht genannt, der ihm selbst ziemlich peinlich zu sein schien.
    „Und, wo würdest du dich nun verstecken?“, riss Martin mich aus meinen Gedanken.
    „Was? Keine Ahnung.“ Ich zuckte die
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