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Tote essen kein Fast Food

Titel: Tote essen kein Fast Food
Autoren: Karin Baron
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bekommen Besuch“, sagte Martin.
    „Wann?“
    „Morgen, zur Mittagszeit.“
    „Mama? Mit Benno?“
    „Nicht ganz“, sagte Martin. „Von einer Freundin und ihrer Tochter.“ Ich bekam einen Hustenanfall.
    „Wie schön, dass du mir das auch schon mitteilst“, hustete ich und ein paar Käsekuchenkrümel landeten auf meinen Füßen.
    „Ich wollte dich erst mal in Ruhe hier ankommen lassen.“
    „Ruhe ist gut. Ich leiste hier Sklavenarbeit, seit ich den Fuß über die Schwelle gesetzt habe.“
    Anscheinend hatte ich Martin unterschätzt. Und zwar gewaltig. Während ich mir die Zunge verbrannte an dem heißen Kaffee, mit dem ich den Hustenanfall zu ersticken versuchte, eröffnete er mir das ganze Ausmaß seiner Überraschung. Nämlich, dass er sich sehr wohl auskannte mit dem Unterschied zwischen einer Frau und einer korinthischen Säule. Der Unterschied hieß Svea und würde in Kürze in Großtante Hedis Haus eintreffen, um hier mit uns und ihrer Tochter Frida die restlichen Ferien zu verbringen.
    „Svea ist Doktorandin der Archäologie und war in Al-Bahariyya meine … äh … Grabungsassistentin.“
    Grabungsassistentin. Ja klar! Ich bekam nur ein Krächzen heraus.
    „Wow, dann hat sie dir wohl nicht nur beim Buddeln assistiert … Weiß Mama davon?“
    „Was hat denn Mama damit zu tun?“
    „Ooch …“ Zusammen mit dem Kaffeeduft sickerte ein unschöner Gedanke in mein Bewusstsein und anschließend in mein limbisches System, wo nach den Erkenntnissen der Hirnforschung die Gefühle losgetreten werden. Neben einer Mutter, die mit meinem ehemaligen Fechtlehrer nicht nur fremd-, sondern gleich bis nach Berlin gegangen war, hatte ich einen Vater, der in Ägypten nicht nur auf Grabschmuck und einen Haufen alter Knochen gestoßen war, sondern offensichtlich auch noch auf ein attraktives Fundstück jüngeren Datums. Mein limbisches System löste Alarmstufe 3 aus. Ich sprang auf, kippte den Kaffee in den spärlichen Rasen und überließ den restlichen Käsekuchen den beiden fetten Möwen, die wie Geier in der Kiefer saßen. Großtante Hedis Punching-Boje kriegte meinen linken Ellbogen ab und dann rannte ich davon Richtung Dünen und Richtung Strand.
    Svea! Ich fasste es einfach nicht. Da hatte ich mir eingebildet, Martin kenne Frauen nur aus dem Fernsehen, und dann servierte er mir eine taufrische Svea zum Kaffee. Mit Anhang und Ankunftsdatum. Wahrscheinlich konnte ich schon froh sein, dass er sie live in der Wüste ausgegraben hatte und nicht im Internet. So wie Janas Vater. Jana ist meine beste Freundin, und seit ihr Vater vor zwei Jahren seine Frau mit einem gewissen Andi teilen musste – ihrem Personal Trainer – und sie jetzt noch nicht mal mehr teilen darf, googelt er sich dauernd eine Neue runter. Und alle paar Monate sitzt Jana dann einer anderen Susanne, Jutta oder Gabi beim Frühstück gegenüber, während Janas Papa jetzt eineneigenen Fitnesstrainer hat, um sich in Form zu halten für die jeweilige Lebensabschnittsteilzeitpartnerin. Sogar seinen spärlichen Haarwuchs hat er per modische Vollglatze ins einundzwanzigste Jahrhundert zu beamen versucht. Hat nicht geklappt, wenn ihr mich fragt. Seitdem sieht er aus wie Mamas Lieblingsvampir Nosferatu aus diesem uralten Stummfilm.
    Und das Gleiche passierte jetzt mir. Nur dass sie Svea heißt statt Jutta und vierunddreißig ist statt dreiundvierzig. Und dass Papa noch seine einsteinschen Zauselhaare trägt und sich anscheinend direkt mit Sex fit hält statt per Trainer. Ab sofort auf dem Vogelzimmersofa genau unter mir, wo diese verdammten Vögel ihm beim Vögeln auch noch zugucken können.
    Krass. Genau so hatte ich mir meine Ferien vorgestellt.

3
    Eine Weile stapfte ich über Trampelpfade und Bohlenwege durch die Dünen. Als ich endlich am Weststrand ankam, hatte ich mich halbwegs abgeregt. Bei dem schönen Wetter, das jetzt wohl endlich tatsächlich begann, war der Strand voll mit Urlaubern, die sich in den Standkörben brutzeln ließen, johlend ins Wasser rannten oder mehr oder weniger elegant Strandtennis spielten. Ich zog die Flipflops aus und tappte noch ein bisschen durchs seichte Uferwasser, dann warf ich mich in den abgelegensten der Strandkörbe, dicht an den Dünen, und grub meine Zehen zum Trocknen in den warmen Sand. Ich versuchte NICHTS zu denken. NICHTS, NICHTS, NICHTS. Statt SVEA, SVEA, SVEA. Und FRIDA.
    „Darf ich bitte deine Strandkorbkarte sehen?“ Eine unfreundliche Stimme schreckte mich auf. Ich musste kurz weggenickt sein. Ich
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