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Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition)

Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition)

Titel: Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition)
Autoren: C.J. Lyons
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Mädchen zielte. Sie war in Richtung Ausgang gerannt, blieb aber stehen, als sie erkannte, dass sie es nicht schaffen würde, ohne erschossen zu werden.
    »Kluges Mädchen«, sagte Korsakov. »Eine Freundin von dir?«
    »Sie hat mir lediglich aus der Patsche geholfen«, antwortete Sam betont lässig und lehnte sich gegen den Tresen gleich neben der Kasse. »Lassen Sie sie gehen!«
    Er erkannte seinen Fehler, sobald die Worte ausgesprochen waren. Korsakov zog eine Braue hoch. »Erteilst du mir jetzt also Befehle, Stan?« Er winkte Julia mit gekrümmtem Finger heran. »Komm her, Kleines! Mach es dir bequem! Wir werden eine ganze Weile hier sein.«
    »Warum?«, fragte Sam, als Julia nach einem zögerlichen Schritt wieder stehen blieb. »Wollen Sie nicht von hier verschwinden, ehe die Bullen auftauchen? Jeder, der hier am Fenster vorbeikommt und Sie mit der Waffe in der Hand sieht, könnte den Notruf wählen.«
    »Wohl kaum. Die Stromversorgung der ganzen Stadt ist gekappt. Bis auf den Generator hier. Ach, und der Polizeichef hat eine Ausgangssperre verhängt und alle Bewohner angewiesen, sich während des Notstands nicht auf die Straße zu begeben. Zumindest werden die braven Bürger von Hopewell das denken.« Er bebte vor Vergnügen. »Allesamt behaglich ins Bett gekuschelt, ohne zu ahnen, dass sie den nächsten Morgen nicht mehr erleben werden. Weil ich nämlich den Staudamm in die Luft jage.« Er hielt ein kleines Funkgerät in die Höhe. »Aber das hat noch Zeit.« Er lächelte Julia an. »Genug, um uns besser kennenzulernen.«
    Julia verschränkte die Arme vor der Brust, um ihren Busen vor dem Raubtierblick des Russen zu schützen. Sam nutzte die Ablenkung aus und schloss die Faust um einen Serviettenspender.
    »Julia, lauf!« Er schleuderte den Metallcontainer auf Korsakov.
    Der Russe schoss, ohne zu zögern, traf Sams bereits verwundetes Bein. Dann wirbelte er herum, wollte wieder schießen, doch Julia war schneller gewesen, bereits aus der Tür geschossen und in der Nacht verschwunden.
    Sam stützte sich am Tresen ab, um aufrecht stehen zu bleiben. Er fühlte nichts, denn der gebrochene Knöchel hatte seine Schmerzgrenze bereits bis zum Äußersten ausgereizt. Blut quoll am Oberschenkel hervor und sickerte durch die Jeans. Plötzlich war er sich nicht mehr so sicher, wo oben und unten war. Langsam sackte er zu Boden.
    »Das war dumm von dir, Stan«, sagte Korsakov, kam auf ihn zu und setzte einen in feinstem italienischem Leder steckenden Fuß auf die Schusswunde, verlagerte immer mehr Gewicht darauf, um den Blutfluss zu stoppen und so viel Schmerz wie irgend möglich zu verursachen. »Du dachtest wohl, du könntest einen schnellen Tod haben.«
    Er bückte sich nach unten, bis sein Gesicht Sams ganzes Sichtfeld einnahm. »Tut mir leid, alter Freund. Das ist nicht das, was ich mir für dich vorgestellt habe.« Er unterbrach sich, blickte zur Tür, als würde er dort jemanden erwarten. »Oder für deine entzückende Frau. Sie sollte bald bei uns sein. Falls Alan Wort hält. Und dann brennt hier in dieser Pizzabude die Luft.« Er lachte in sich hinein. »Wortwörtlich.«
    * * *
    Ihr ganzer Körper schmerzte, trotzdem schleppte Caitlyn sich die Stufen des dreistöckigen Turmes hoch. Bei jedem Atemzug spürte sie ein Stechen in der Seite, anscheinend hatte sie sich mehrere Rippen gebrochen. Und den linken Arm konnte sie nicht höher als bis zur Hüfte heben, es kam also noch ein gebrochenes Schlüsselbein oder eine ausgekugelte Schulter hinzu.
    Der einzige Teil ihres Körpers, von dem kein Schmerz ausging, war ihr Kopf. Sie hatte sich einige Beulen und Schrammen zugezogen, spürte aber keinerlei Kopfschmerzen, geschweige denn eine unaufhaltsame Migräne. Bislang waren Erschöpfung und Müdigkeit immer die Hauptauslöser für ihre Anfälle gewesen, heute war sie jedoch schon den ganzen Tag über relativ schmerzfrei.
    Wer hätte das gedacht! Sie griff nach dem splittrigen Holzgeländer und erklomm eine weitere Stufe, drückte die nackten Füße fest in das raue Holz. Dabei vermied sie, ins nächtliche Dunkel zu blicken, das einzig vom Widerschein des Mondes auf der Wasseroberfläche des Stausees erhellt wurde. Das Rauschen des Wasserfalls war hier oben noch lauter, und der uralte Feuerturm schwankte unter der Wucht der herabstürzenden Wassermassen.
    Sie fragte sich, ob Hals Körper sich in einem der Gitter verfangen würde, die das Reservoir sauber hielten. Als sie einen Moment die Augen schloss, sah sie ihn sofort
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