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Torstraße 1

Torstraße 1

Titel: Torstraße 1
Autoren: Sybil Volks
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Jonas, Stephanie, Elisa, Luise und ich. Erst mal.« Bernhard schaut Uwe entschuldigend an. »Die Partner der Kinder könnten dann beim zweiten Mal dazukommen.«
    Uwe nickt, er ist gar nicht beleidigt. Und Luise umarmt ihn begeistert. »Ich würde mich so freuen, Elsa wiederzusehen. Wirklich.« Sie überlegt einen Moment und meint dann: »Aber du hast jemanden vergessen.«
    »Wen denn?«, fragt er.
    »Elsas Mann.«
    Bernhard kommt sich ertappt vor. Tatsächlich, den hat er vergessen. Und weiß auch gar nicht, ob er es so eilig hat, ihn kennenzulernen. Aber wenn seine Elisa dabei ist, gehört natürlich Elsas Hanns genauso dazu. Theoretisch.
    Während die Diskussionen vorn am Tresen lauter werden, erzählt er den beiden von seinem Treffen mit Elsa. Wie er das erste Mal einen Fuß auf Westberliner Boden gesetzt und sich dabeigefühlt hat. Von seinem Spruch mit dem fehlenden Westgeld, über den sie nun gemeinsam lachen. Davon, dass Elsa Harry Grünbergs Tochter ist und es bis zu Vickys Tod nicht gewusst hat. »Sie will eine Bürgerinitiative gründen, um aus dem Institut ein Museum zu machen. Geschichte des Kaufhauses Jonass, Hitlerjugend, Sozialistische Arbeiterführer und so. Fast hätten wir uns darüber zerstritten. Als ob wir alle schon Geschichte wären. Wenn sie dabeibleibt, wird das nichts mit Friede, Freude und Eierkuchen.«
    »Es ist zu früh für solche Ideen«, stimmt Uwe ihm zu. »Man kann nicht so tun, als sei hier alles schon zu Ende und begraben. Vielleicht schaffen wir ihn ja noch, den Sozialismus mit menschlichem Antlitz.«
    Am Tresen brüllt ein betrunkener Mann, man möge doch die Stasibonzen alle in die Produktion stecken. Oder besser gleich an die Wand stellen.
    »Jawohl!«, stimmen ein paar Saufkumpane zu.
    »Dann biste doch selbst so ein Arsch«, widerspricht die Wirtin und knallt ein Bierglas auf den Tresen. »Wenn du das genauso machst, wie die es mit uns gemacht haben.«
    Bernhard denkt an seinen Schwager, der vielleicht in diesem Augenblick in seinem Büro Papier durch den Reißwolf jagt.
    Das Problem, in welchem Stadtteil das Treffen stattfinden soll, ist inzwischen gelöst. Am Nachmittag wird Elsa kommen, um ihn und Elisa zu besuchen. Ohne ihren Hanns. Sie hat nicht vorgeschlagen, ihn mitzubringen, und er hat es dabei belassen. Nun steht er morgens früh im Wohnzimmer am Fenster und starrt auf die dunkle Straße. In der Nacht ist er drei Mal aufgestanden, um sich einen Tee zu kochen, in den er ein Schlückchen Weinbrand geschüttet hat. Geholfen haben weder Tee noch Weinbrand. Es war nicht die erste solcher Nächte in den letzten Wochen, in denen es ihn umtrieb. Heute aber gibt es wenigstenseinen Grund. In dieser Nacht ist es ihm plötzlich nicht mehr klug erschienen, Elsa und Elisa an einen Kaffeetisch zu setzen. Irgendwie brachte die Vorstellung in seinem Kopf alles durcheinander. Es schien ihm, als könne es auf keinen Fall gut gehen mit den beiden. Vor allem aber mit ihm.
    Er geht wieder ins Bett und legt den rechten Arm um Elisa, die sich halb unwillig, halb erfreut zu ihm umdreht. »Wie spät ist es?«
    »Gleich sieben. Aber es ist Sonntag. Schlaf noch ein bisschen. Ich pass so lange auf dich auf.«
    Elisa lächelt und dreht ihm den Rücken zu. Drückt ihren warmen, runden Hintern gegen seine Hüfte und ruckelt ein bisschen hin und her. »Ich will nicht mehr schlafen«, murmelt sie. »Mach mal was Schönes mit mir. Heute ist schließlich der dritte Advent.«
    Bernhard lacht leise und macht was Schönes mit Elisa. Danach geht es ihm besser, die Angst ist verflogen. Vielleicht wird alles gut, summt er beim Zähneputzen. Er backt Brötchen auf, macht Kaffee, deckt im Wohnzimmer den Tisch. Überlegt kurz, ob er auch eine Flasche Sekt öffnen soll, lässt es aber sein. Ein klarer Kopf ist nicht verkehrt an diesem Tag.
    Um acht schon sitzen sie am Frühstückstisch, Elisa und er, reden über Unverfängliches und tun, als sei dies ein Sonntag wie jeder andere. Aber dann stellt Elisa doch die Frage aller Fragen.
    »Hast du Elsa eigentlich einmal richtig geliebt?«, fragt sie. »Wäre sie deine Frau geworden, wenn ihr die Möglichkeit gehabt hättet? Hättet ihr zusammen Kinder und würdet glücklich leben bis an das Ende eurer Tage?« Sie lächelt bei all diesen Fragen, als wollte sie sagen, es ist nicht so wichtig, Bernhard, ich wüsste es nur gern.
    Aber Bernhard weiß schon, dass die Fragen sehr ernst gemeint sind. Er hat die ganzen Tage damit gerechnet, dass sie dieses Gespräch führen
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