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Tore in der Wüste

Tore in der Wüste

Titel: Tore in der Wüste
Autoren: Roger Zelazny
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medizinische Studie verfaßt; das hat Sie davor bewahrt zu fliegen. Sie hat Ihnen sogar einige Sympathien eingebracht, Sie zu einer kleinen Berühmtheit gemacht. Ich habe sie eben gelesen. Das ist vollkommener Schrott. Das kaufe ich Ihnen nicht ab. Ich halte sie noch nicht einmal für lustig.“
    Ich zuckte die Achseln. „Ich klettere gerne herum“, sagte ich. „Ich mag es, in der Höhe zu sein. Ich habe niemals behauptet, daß sie lustig ist, und Doktor Marko ist nicht verschroben.“
    Er stieß einen labialen Konsonanten hervor und blätterte durch den Ordner. Ich begann, eine Aversion gegen den Mann zu fühlen. Kurzgeschnittenes, sandfarbenes Haar, ein gepflegter, ordentlicher Kinn- und ein Schnurrbart, der den kleinen Mund fast verdeckte. Etwa Mitte zwanzig, schätzte ich. Und er benahm sich ungezogen und autoritär und bot mir noch nicht einmal einen Sitzplatz an, dabei war ich ihm mit dem Studium wahrscheinlich schon Semester voraus, und es hatte mich Blut und Schweiß gekostet, es so weit zu bringen. Ich hatte ihn bisher erst einmal getroffen, ganz kurz, bei einer Party. Damals war er pleite und wesentlich umgänglicher gewesen. Natürlich hatte er noch nicht einmal meine Kartei gesehen. Aber das sollte eigentlich einerlei sein. Er sollte sich de novo mit mir befassen und nicht auf der Basis einer Menge Gerüchte. Aber Studienberater kommen und gehen allgemein, fachspezifisch, speziell. Ich hatte schon mit den besten und mit den schlechtesten zu tun gehabt. So aus dem Stegreif kann ich nicht sagen, wer mir der liebste von allen war. Vielleicht Merimee. Vielleicht Crawford. Merimee hatte mir geholfen, das Exmatrikulationsverfahren abzuwenden. Ein geschickter Bursche. Crawford hätte mich fast hereingelegt und zur Graduierung gebracht, was ihm zweifellos den Preis ‚Studienberater des Jahres’ eingebracht hätte. Nichtsdestoweniger ein guter Junge. Nur ein wenig zu kreativ. Wo mochten sie jetzt wohl alle sein?
    Ich zog mir einen Stuhl her und machte es mir bequem, zündete mir eine Zigarette an und benützte einen Papierkorb als Aschenbecher. Er gab vor, es nicht zu bemerken, sondern blätterte statt dessen weiter den Ordner durch.
    Auf diese Weise verstrichen einige Minuten. Dann: „Also gut“, sagte er. „Ich bin bereit.“
    Er blickte zu mir auf und lächelte.
    „In diesem Semester, Mister Cassidy“, sagte er, „werden wir Sie graduieren lassen.“
    Ich lächelte zurück.
    „Das, Mister Wexroth, wird dann geschehen, wenn es in der Hölle einen kalten Tag gibt“, sagte ich.
    „Ich glaube, ich war ein wenig sorgfältiger als meine Vorgänger“, sagte er. „Ich nehme an, Sie sind mit allen Universitätsbestimmungen vertraut?“
    „Ich lese sie mir regelmäßig durch.“
    „Ich nehme ebenfalls an, Ihnen sind alle Kurse bekannt, die im kommenden Semester angeboten werden?“
    „Eine sehr treffende Vermutung.“
    Er holte aus der Innentasche seiner Jacke eine Pfeife und einen Tabaksbeutel hervor. Dann begann er, das Ding langsam zu stopfen, wobei er jedem einzelnen Krümel besondere Beachtung beimaß, als wolle er um jeden Preis Zeit gewinnen. Ich hatte ihn schon vorher als Pfeifenraucher eingestuft.
    Er nahm sie in den Mund, zündete sie an, zog sie zurück. Dann sah er mich durch den Rauch hindurch an.
    „Dann werden wir Sie zu einer Zwangsgraduierung anmelden“, sagte er. „In bezug auf die Hauptvorschriften.“
    „Aber sie haben noch nicht einmal meine Registraturkarte gesehen.“
    „Das spielt keine Rolle. Ich habe mir jede Wahl angesehen, die Sie treffen können, jede Kombinationsmöglichkeit von Kursen durchgespielt, die Sie belegen können, um Ihren Status als Vollzeitstudent zu wahren. All das habe ich mit Ihren sehr ausführlichen Universitätsunterlagen verglichen, und dabei ist mir eingefallen, wie wir uns Ihrer entledigen können. Ganz egal, was Sie auch auswählen, in diesem Semester werden Sie einen Abschluß in irgendeinem Fach machen.“
    „Hört sich an, als wären Sie wirklich gründlich gewesen.“
    „Das war ich.“
    „Dürfte ich wohl fragen, warum Sie mich unter allen Umständen loswerden wollen?“
    „Aber sicher“, antwortete er. „Es ist doch eine nicht zu leugnende Tatsache: Sie sind ein ‚ewiger Student’.“
    „Ein ewiger Student?“
    „Ein ewiger Student. Sie tun nichts anderes, als hier herumhängen.“
    „Und was ist daran so schlimm?“
    „Sie sind eine Last, ein Schmarotzer an den intellektuellen und emotionalen Quellen unserer akademischen
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