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Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders

Titel: Tom Thorne 02 - Die Tränen des Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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Prozess wurde von einem Nebenzimmer aus vollständig aufgezeichnet. Thorne hatte sich die Aufnahmen sämtlicher Gespräche angesehen. Anfangs war Charlie ein wenig scheu gewesen, aber sobald die Polizisten sein Vertrauen gewonnen hatten, war er lebhaft und gesprächig geworden. Er hatte über alles geredet, nur nicht darüber, was seiner Mutter zugestoßen war …
    Thorne war sich nicht sicher, ob er etwas aus dem Jungen herausbekommen würde. Ob es überhaupt etwas aus ihm herauszuholen gab. Aber er zweifelte nicht daran, dass er es versuchen musste.
    Er war gerade dabei, seinen ganzen Mut zusammenzunehmen, um zu fragen, ob man nicht die Heizung etwas herunterdrehen könne, als er den Schlüssel an der Haustür hörte. Er und McEvoy standen gemeinsam auf. Das geschah so abrupt, dass Mary Enright erschrocken zusammenzuckte.
    Robert Enright schüttelte ihnen die Hand und begrüßte sie mit den Worten: »Erfreut, Sie kennen zu lernen.« Seine wässrigen blauen Augen allerdings erzählten eine ganz andere Geschichte. Im Gegensatz zu seiner Frau war er hoch gewachsen und hatte früher offensichtlich viel Sport getrieben. Doch während sie munter und lebhaft war, wirkte er abwesend, leer und schwer zu fassen.
    Die Menschen reagierten unterschiedlich auf den Tod. Sie kam einigermaßen zurecht. Er hatte so gut wie aufgegeben.
    Er ließ sich aufs Sofa fallen, während seine Frau hastig davoneilte, um frischen Tee zu kochen. »Charlie ist kurz in sein Zimmer hoch, denke ich. Er kommt sicher gleich wieder runter.« Seine Stimme war tief und sanft und wirkte durch den schweren Birminghamer Akzent noch müder.
    Thorne nickte. Er hatte den Jungen die Treppe hinaufrennen gehört, kaum dass die Haustür ins Schloss gefallen war.
    »War’s schön im Park?«
    Der alte Mann zuckte mit den Achseln. Bescheuerte Frage. Verschwinde aus meinem Haus, lass mich und meine Familie in Ruhe. »Es wird allmählich kalt …«
    Mary rauschte herein, reichte ihrem Mann seinen Tee und versuchte, mit leerem Geplauder die Zeit zu überbrücken, bis Charlie kam. Sie redete mit Thorne und McEvoy über ihre Zugfahrt und wie schwierig ihre Arbeit sein müsse. Und dass ihre Freundin einen Sohn habe, der als Sergeant in Leicester arbeite und sie alles über die Fährnisse der Polizeiarbeit wisse.
    Thorne dachte: Schwieriger kann es nicht mehr werden.
    Plötzlich beugte sich der Alte nach vorne und blickte Thorne direkt in die Augen. »Was wollen Sie ihn fragen?« Ernst, ohne zu zwinkern …
    Thorne wandte sich an McEvoy, sein Instinkt sagte ihm, dass besser sie diese Frage beantworten sollte. Aus genau dem Grund hatte er sie mitgenommen. Sie reagierte auf den Wink. »Es geht uns nicht darum, ihn etwas Bestimmtes zu fragen. Wir wollen eher eine Vorstellung davon bekommen, woran er sich wirklich erinnert. Spricht er überhaupt über das, was passiert ist?«
    »Nein.« Schnell.
    »Überhaupt nicht? Ich meine, er könnte etwas sagen, das zunächst wie ein Scherz klingt, verstehen Sie, oder ein …«
    »Ich sagte nein.« Lauter, unverblümt aggressiv.
    McEvoys Augen suchten Mary, baten um Hilfe. Diese griff nach der Hand ihres Mannes und legte sie auf ihr Knie. Sie hob ihre Hand und zeigte sie Thorne und McEvoy. »Bob hat vierzig Jahre im Schmuckviertel gearbeitet. Diesen Ehering machte er 1965. Er hat vor vier Jahren auch Carols Ehering gemacht. Dafür hast du deinen Ruhestand unterbrochen, kann man doch sagen?« Sie lachte und tätschelte die Hand ihres Mannes, doch er schwieg. »Verstehen Sie, wir bekamen Carol erst spät.«
    Thorne sah zu McEvoy. Ihm war klar, was sie dachte, und ihm war klar, dass sie sich irrte. Das war kein leeres Gerede. Das waren die Scherben eines zerbrochenen Bildes, die Mary Enright verzweifelt ins Licht hielt, in der Hoffnung, dass Thorne und McEvoy eine Vorstellung von dem Ganzen bekamen. Von seiner Enormität. Jetzt schüttelte sie nur den Kopf und fasste es in einfache Worte: »Bob hat das alles nicht verkraftet, verstehen Sie. Schlechter als ich, auf alle Fälle anders. Das ist oft so, denke ich, wenn etwas passiert und man ist zu zweit. Der eine wurstelt sich einfach weiter durch, versucht, irgendwie zurechtzukommen, während der andere …«
    Thorne hatte das Bild vor Augen. Die alte Frau, wie sie in der Ecke des überheizten Wohnzimmers saß und mit ihrem Enkel ein Puzzle zusammensetzte oder eine Einkaufsliste schrieb, während ihr Mann gebeugt hinten in einem Schlafzimmer stand, geschüttelt von heftigem Schluchzen.
    Er nahm

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