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Tom Sawyers Abenteuer und Streiche

Titel: Tom Sawyers Abenteuer und Streiche
Autoren: Mark Twain
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hättst dich heim ins warme Nest geschlichen und die Räuber Räuber sein lassen. Du kannst immer nur was Gemeines tun und kannst's nicht hören, wenn andere gelobt werden, weil sie was Schönes und was Gutes getan haben. So, da hast du was – ›keinen Dank‹, wie Frau Douglas unten sagt.«
    Dabei schlug Tom Sid eins hinter die Ohren und beförderte ihn mit einigen Fußtritten zur Türe hinaus. »Lauf doch hin und sag's der Tante, wenn du's Herz dazu hast, will dir's dann morgen gedenken.«
    Einige Minuten später waren die Gäste um den Eßtisch der Witwe versammelt. Zur gegebenen Zeit hielt dann Herr Jones seine Rede, in welcher er der gütigen Wirtin dankte für die Ehre, die sie ihm und seinen Söhnen erwiesen, daß aber ein anderer, der auch anwesend sei, weit mehr Dank –
    Und so weiter und so fort. Nun brachte er das große Geheimnis über Hucks Anteil an der Sache ans Licht und tat's in der dramatischsten Weise, die ihm zu Gebote stand. Die Überraschung aber, die das Mitgeteilte hervorrief, war etwas künstlicher Natur und lange nicht so lebhaft und herzlich, wie sie unter glücklicheren Umständen hätte sein können. Die Witwe selber freilich verstand es sehr gut, das größte Erstaunen zur Schau zu tragen, und überhäufte Huck mit einem solchen Übermaß von Dank und Lobsprüchen, daß dieser das  nahezu unerträgliche Mißbehagen, welches ihm die neuen Kleider bereiteten, über dem  völlig  unerträglichen Mißbehagen, die Zielscheibe von jedermanns Blicken und jedermanns Beifallsbezeigungen zu sein, ganz vergaß.
    Witwe Douglas erbot sich, Huck ein Heim in ihrem Hause zu bieten, ihn erziehen zu lassen und ihn später, soviel in ihren Kräften stehe, zu unterstützen. Jetzt blühte Toms Weizen und er löste seine Zunge:
    »Huck braucht das gar nicht, Huck ist reich genug!«
    Nur der Zwang, den die gute Lebensart der Gesellschaft auferlegte, war imstande, einen Ausbruch des Gelächters über diesen vermeintlichen guten Witz zurückzuhalten; das herrschende Schweigen war aber etwas unbehaglich. Tom brach es alsbald.
    »Huck ist reich, sag ich, er hat Geld, Ihr glaubt's vielleicht nicht, aber er hat Haufen von Geld. Braucht gar nicht zu lachen, werd's euch gleich beweisen. Wartet nur 'ne Minute!«
    Er rannte zur Tür hinaus. Die Anwesenden blickten zuerst einander voll ungläubigen Staunens an und dann fragend auf Huck, der wortlos dasaß.
    »Sid, was hat wohl der Tom?« fragte Tante Polly ängstlich – »er – na da werd' mal einer klug aus dem Bengel. Ich –«
    Da trat Tom wieder ein, gebeugt unter der Last seiner Geldsäcke, und Tante Polly mußte den Satz unbeendet lassen. Tom leerte den Haufen blinkenden Goldes auf den Tisch und rief triumphierend:
    »Da – was hab' ich euch gesagt? Die Hälfte davon gehört Huck und die andere Hälfte mir!«
    Der Anblick des Geldes benahm allen den Atem. Alles starrte auf die glänzenden Goldstücke und niemand fand Worte im eisten Augenblick, Dann erhob sich ein allgemeiner Ruf nach Aufklärung. Tom sagte, die könne er geben, und er tat's. Die Geschichte war lang, aber unsagbar interessant, nur ab und zu kärglich eingestreute Bemerkungen der atemlos lauschenden Zuhörer unterbrachen den fesselnden Reiz derselben. Als Tom zu Ende war, meinte der alte Jones:
    »Hab' ich da vorhin der Gesellschaft 'ne kleine Überraschung bereiten wollen, – 's ist aber rein nichts gegen das da, Tom, der Teufelskerl, hat mich schön übertrumpft, das muß ich sagen! Geb's aber gern zu, weiß Gott, geb's gern zu!«
    Das Geld wurde nun gezählt. Die Summe belief sich auf etwas über zwölftausend Dollars. Es war mehr, als irgendeiner der Anwesenden jemals beisammen gesehen, obgleich sich einige darunter befanden, die weit mehr als das an Grundbesitz ihr eigen nannten.
     

     

32. Zukunftspläne.
    Wie man sich denken kann, machte dieser Fund der beiden Knaben in dem armen, kleinen Städtchen St. Petersburg das ungeheuerste Aufsehen. Solch eine Riesensumme in barer Münze erschien den guten Leuten beinahe unglaublich. Man redete von nichts anderem, schielte gierig nach dem Schatze, pries die Finder glücklich, und die Vernunft manchen Bürgers drohte bei der ungesunden Erregung ins Wanken zu geraten. Jedes Haus, in dem es nur irgend spuken sollte, im Städtchen wie in der Umgegend, wurde sozusagen anatomisch zerlegt: Stein für Stein, Balken für Balken, die Grundmauern unterwühlt und nach verborgenen Schätzen durchforscht, und zwar nicht von Knaben, sondern von
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