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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)
Autoren: Henry Fielding
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'R Gnaden für was sorgen, das der Armkasten vom Kirchspiel ernähren muß? Für meins Teils, wenn's 'n ehrlich Manns Kind wär', nun, ja! Aber so kann ich's, für meins Teils nicht übers Herz bringen, solche Bankerte anzufassen und's für meine Nebengeschöpfe zu achten. Fuh! wie's stinkt! 's riecht gar nicht nach'n Christen. Wenn 'ch so frei sein dürfte, meine Meinung zu sagen, so sollte man's in 'n Korb thun, und's hinschicken, und vor's Kirchenvorstehers Thür legen. 'S ist 'ne hübsche Nacht, nur 'n bischen regnig und windig; und wenn's tapfer eingewickelt wird und in 'n warmen Korb gelegt, so will'ch wohl doppelt gegen einfach wetten, oder 's lebt so lange bis man's morgen früh findet. Aber wenn's auch nicht thäte, so haben wir das Unsrige gethan, daß wir's ordentlich versorgt haben; und vielleicht ist's vor solche Kreaturen besser, wenn sie im Stande der Unschuld sterben, als daß sie aufwachsen und's der Mutter nachmachen, denn bessers ist doch nicht von 'n zu hoffen.«
    In dieser Rede befanden sich einige Züge, die Herr Alwerth vielleicht nicht zum besten aufgenommen haben möchte, wenn er eben genau darauf gehört hätte; so aber war einer seiner Finger in ein Händchen des Kindes geraten, welches mit leisen Drücken seinen Beistand zu erflehen schien und ohne weiteres die Beredsamkeit der Jungfer Deborah vernichtet haben würde, wenn solche auch noch zehnmal mächtiger gewesen wäre. Jetzt gab er der Jungfer Deborah gemessenen Befehl, das Kind mitzunehmen nach ihrem eigenen Bette und eine Magd rufen zu lassen, die ihm Papp und Panade mache, wenn es erwache. Er befahl ebenfalls, daß [19] man für die erforderliche Kleidung morgen beizeiten besorgt sein und ihm das Kind selbst bringen sollte, sobald er aufstünde.
    Jungfer Deborah hatte einen so hellen Verstand und so viel Respekt vor ihrem Herrn, unter dem sie eine vortrefflich einträgliche Stelle bekleidete, daß ihr Gewissen sich unter seine ernstlichen Befehle ganz willig beugte, das Kind ohne irgend einen scheinbaren Ekel an seiner unehlichen Geburt in die Arme nahm und unter der Beteurung, es sei doch eine kleine süße Krabbe, damit nach ihrer eigenen Schlafkammer zuwanderte.
    Hierauf ergab sich Alwerth diesem erquickenden Schlummer, dessen ein Herz, das nach Wohlthun hungert, so ruhig genießen kann, wenn es satt ist. Da dieser Schlummer wohl süßer sein mag, als irgend ein andrer, den eine noch so reichliche Mahlzeit herbeilockt, so würde ich keine Mühe scheuen, ihn dem Leser zu beschreiben, wenn ich nur eine Luft wüßte, die ich ihm zur Erregung eines solchen Hungers empfehlen könnte.

Viertes Kapitel.
    Der Leser wird durch eine Beschreibung in Gefahr gebracht, den Hals zu brechen; seine Rettung und die große Herablassung des gnädigen Fräuleins Brigitte von Alwerth.
     
    Junker Alwerths Haus war das edelste Gebäu, was der gotische Stil hervorbringen konnte. Es herrschte darin ein
air de Grandeur,
welches einen mit stiller Ehrfurcht erfüllte und mit den Schönheiten der griechischen Architektur wetteiferte. Dabei war es ebenso bequem inwendig, als ehrwürdig auswendig.
    Es stund an der Südostseite eines Hügels; aber näher zu nach dem Fuße als nach der Spitze, so daß es von der Nordostseite durch einen Hain von alten Eichen, die darüber in einer Strecke von mehr als tausend Ruten an dem Hügel hinauf hervorragten, bedeckt ward, und doch hoch genug stand, um daraus ein nahegelegenes, höchst reizendes Thal zu übersehen.
    Mitten in dem Hain lag eine schöne grüne Wiese, die sich gegen das Haus heruntersenkte, in deren oberster Höhe sich ein ergiebiger Quell befand, der aus einem mit grünen Fichten bedeckten Felsen hervorsprudelte, einen beständigen, mehr als dreißig Fuß hohen Wasserfall machte, und nicht sowohl in einem regelmäßigen Guß von Stufen herabstürzte, als in einem natürlichen Falle über gebrochene und moosigte Steine herabrieselte, bis er an die Wurzel des Felsens gelangte; dann in einem kieseligen Kanal über geringe [20] Wehren sich fortschlängelte, bis er in einen See fiel, der am Fuß des Hügels ungefähr achthundert Fuß entfernt vom Hause nach Süden hin lag und aus jedem Zimmer der Fronte des Gebäudes gesehen werden konnte. Aus diesem See, der den Mittelpunkt einer reizenden, mit Gruppen von Birken und Ulmen und weidenden Schafen verschönerten Ebene füllte, floß ein Bach, dessen Krümmungen das Auge durch eine schön verwickelte Abwechslung von Wiesen und Gebüschen bis dahin folgen konnte, wo
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