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Tolle Maenner

Tolle Maenner

Titel: Tolle Maenner
Autoren: Olivia Goldsmith
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ging.
    Im Korridor der Times wurde sie von Beth Conte aufgehalten, der Weltmeisterin im Augenverdrehen. »Marcus hat dich schon gesucht«, zischte sie. Obwohl Tracie wusste, wie sehr Beth zur Dramatisierung neigte, verkrampfte sich ihr Magen, was dem Kaffee darin gar nicht gefiel. Zusammen gingen sie auf Tracies Büro zu. »Er ist auf dem Kriegspfad«, fügte Beth überflüssigerweise hinzu.
    »Ist dieser Ausdruck eigentlich politisch korrekt?«, fragte Tracie. »Oder könnte man ihn als Diskriminierung der nordamerikanischen Indianer auffassen?«
    »Es wäre für jede ethnische Gruppe diskriminierend, in einem Atemzug mit Marcus genannt zu werden. Apropos, was ist er eigentlich?«, fragte Beth sie, während sie zusammen durch den Korridor hasteten. »Italo-Amerikaner jedenfalls nicht, das weiß ich sicher«, fügte sie hinzu, als wollte sie ihre eigene Abstammung verteidigen.
    »Er ist dem Haupt des Zeus entsprungen«, mutmaßte Tracie, als sie um die letzte Ecke bogen und endlich ihr Büro betraten.
    »Dem Haupt des Zeus?«, wiederholte Beth. »Ist Marcus Grieche? Wovon redest du eigentlich?«
    Tracie zog ihren Regenmantel aus, hängte ihn an den Haken
und verstaute ihre Handtasche unter ihrem Schreibtisch. »Du weißt schon, wie Diana. Oder war es Athene?«
    »Prinzessin Diana?«, fragte Beth, wie immer haarscharf daneben liegend.
    Was konnte man auch anderes erwarten, wenn man sich mit Beth vor zehn Uhr morgens (oder auch nach zehn Uhr morgens) über griechische Mythologie unterhielt. Tracie zog ihre Turnschuhe aus, warf sie unter den Schreibtisch und wühlte nach ihren Büroschuhen. Gerade als sie ihren Scherz erklären wollte, verdunkelte Marcus Strombergs massige Gestalt die Tür ihres Büros. Rasch tauchte Tracie unter dem Schreibtisch auf in der Hoffnung, dass er nicht länger als ein paar Sekunden freie Sicht auf ihren Hintern gehabt hatte. Sie schob die Füße in ihre Pumps. Marcus barfuß gegenübertreten zu müssen war mehr, als sie verkraften konnte.
    »Danke für den Tipp«, quiekste Beth und machte sich davon.
    Tracie schenkte Marcus ihr strahlendstes Siegerinnenlächeln und ließ sich, so cool sie konnte, auf ihrem Stuhl nieder. Von Marcus ließ sie sich nicht einschüchtern! So tough war er auch wieder nicht. Er war weit weniger tyrannisch als die Männer, mit denen ihr Dad in L. A. zusammengearbeitet hatte. Er war nicht mal so ein Tyrann wie ihr Vater. Und dafür, dass Marcus gehofft hatte, eines Tages ein neuer Woodward oder Bernstein zu werden, aber nur ein kleiner Stromberg geworden war, dafür konnte sie ja schließlich nichts.
    »Wie schön, dass Sie auch schon da sind«, sagte Marcus mit einem Blick auf seine Armbanduhr. »Ich hoffe nur, dass Ihre Arbeit Ihren gesellschaftlichen Verpflichtungen nicht allzu sehr im Wege steht.«
    Marcus benahm sich ihr gegenüber immer so, als hielte sie sich für eine Art Debütantin. »Sie kriegen die Kurzbiografie bis vier«, erklärte Tracie ihm ruhig. »Das habe ich Ihnen gestern schon gesagt.«
    »Ich erinnere mich. Aber zufällig brauche ich Sie heute noch für einen Artikel.«

    Mist! Als ob sie nicht schon genug Arbeit hätte. »Und über was?«, fragte Tracie und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.
    »Muttertag. Ich brauche ein richtig gutes Feature, und zwar bis morgen.«
    Zu Tracies Aufgaben gehörte es, die gegenwärtigen und künftigen High-Tech-Mogule zu interviewen, aber wie alle anderen bekam sie gelegentlich auch andere Aufgaben. Zu allem Unglück verfügte Marcus über die unselige Fähigkeit, jedem mit geradezu traumwandlerischer Sicherheit genau die Story zu verpassen, die ihm gründlich den Tag verdarb. Lily, einer talentierten übergewichtigen Journalistin, schob er regelmäßig Artikel über Fitnessstudios, Magersucht, Misswahlen oder Ähnliches zu. Tim, der zu Hypochondrie neigte, bekam Berichte über die Einweihung von Krankenhäusern oder neue Behandlungsmethoden aufgebrummt. Irgendwie schaffte er es bei jedem, seine ganz speziellen Schwächen zu treffen, selbst wenn diese weniger offensichtlich zu Tage traten als bei Tim und Lily. Da Tracie selten zu ihrer Familie fuhr und Feiertage nicht besonders mochte, wurde sie meist genau mit diesen Themen betraut. Und jetzt auch noch Muttertag!
    Ihre Mutter war gestorben, als Tracie viereinhalb war. Ihr Vater hatte wieder geheiratet, sich scheiden lassen und ein weiteres Mal geheiratet. Tracie konnte sich kaum an ihre Mutter erinnern und versuchte, ihre gegenwärtige Stiefmutter zu
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