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Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung

Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung

Titel: Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung
Autoren: Barry Eisler
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»Wir treffen uns am Bahnhof, dann gebe ich Ihnen die Schlüssel. Aber ich hab nicht viel Zeit.«
     
    Ich parkte in der Nähe des Hauptbahnhofs, holte meine Tasche aus dem Kofferraum und schloss den Wagen ab. Als ich an einer Gracht entlangging, ließ ich Hilgers Pistole ins Wasser fallen. Ich hatte die USP im Vondelpark gelassen. Ich hatte keine Zeit mehr gehabt, im Dreck nach ihr zu suchen, aber das war nicht weiter schlimm. Ich hatte sie nicht mal abgefeuert, und da Boaz sie besorgt hatte, war sie sicherlich steril.
    Ich traf sie im Bahnhof, als sie vom Zug aus Rotterdam die Treppe herunterkamen. Naftali schüttelte mir die Hand. »Sie haben was gut bei mir, Mister Rain«, sagte er.
    »Nein, nein. Sie haben mir Rückendeckung gegeben. Das genügt.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß, mein Bruder war auf Sie angesetzt. Ich bin froh, dass er keinen Erfolg hatte.«
    »Ja, ich auch«, sagte ich, und Naftali rang sich tatsächlich ein Lächeln ab.
    »Ich hab Ihnen ja gesagt, er würde ganz aus dem Häuschen sein«, sagte Boaz.
    Ich lachte schwach, verzog dann das Gesicht. Meine Brust fühlte sich an, als hätte ich einen Lkw damit gestoppt.
    »Wo wollen Sie jetzt hin?«, fragte Boaz. »Zu Delilah?«
    Ich hätte ihn nicht beschwindeln können, selbst wenn mir danach gewesen wäre. »Ja.«
    »Ich hab sie nicht angerufen, wissen Sie. Nach Singapur. Das war Ihre Sache.«
    »Also, wollen Sie mich nun zu ihr fahren lassen?«, sagte ich und gab ihm die Autoschlüssel. »Oder sollen wir hier ein Kaffeekränzchen abhalten?«
    Er lachte. Ich erzählte ihm das mit der USP und erklärte, wo ich den Wagen geparkt hatte. Dann ging ich zum Fahrkartenschalter, um mich nach einem Zug nach Paris zu erkundigen.
    Es fuhr einer um neun Uhr, Ankunft um ein Uhr morgens am Gare du Nord. Ich kaufte eine Fahrkarte und ging zum Bahnsteig. Ich rief Kanezaki an, kurz bevor ich in den Zug stieg.
    »Wie geht’s ihm?«, fragte ich.
    »Einigermaßen. Jede Menge Prellungen, ein paar gebrochene Rippen und einen ordentlichen Sonnenbrand.«
    Ja, auch mir brannte die Haut. Ich war die ganze Zeit so beschäftigt gewesen, dass ich das erst jetzt merkte.
    »Gut.«
    »Und wie geht’s Ihnen?«, fragte er. »Haben Sie …«
    »Sie haben mit allem recht behalten. Und alles, weshalb wir hergekommen sind, ist erledigt, einschließlich des Ablebens unseres Freundes. Ich stelle die Einzelheiten ins Bulletin Board. Aber Sie können auch die Israelis anrufen, die sind wahrscheinlich jetzt auf ihren Handys zu erreichen.«
    »Vielleicht mach ich das.«
    »Sie haben Ihre Sache gut gemacht, Tom.«
    »Und Sie haben etwas Gutes getan.«
    »Na, keine gute Tat bleibt ungestraft. Ich melde mich, okay?«
    »Das hoffe ich doch.«
    Ich suchte meinen Platz im Zug, und fünf Minuten später fuhren wir aus dem Bahnhof. Ich war durchnässt und fror nach der Kriecherei durch den Vondelpark, und die Brust tat mir weh. Ich wollte nur noch möglichst schnell irgendwohin, wo es warm und trocken war, wo ich die Augen schließen konnte.
    Ich lehnte den Kopf gegen das Fenster. Als wir die Lichter der Stadt hinter uns ließen und die Welt draußen dunkel wurde, sah ich mein Spiegelbild in der Scheibe.
    Ich hatte mich so lange gefragt, ob ich eine Wahl hatte, und die Frage immer mit Nein beantwortet. Aber vielleicht lautete die eigentliche Frage ja, warum ich nie eine Wahl hatte. Warum ich mich stets in Situationen begab, in denen mir nichts anderes übrigblieb, als zu töten.
    Wie lautete noch mal der Spruch von Henry Ford? »Ihr könnt jede Farbe haben, die ihr wollt, solange sie schwarz ist.«
    Ich meinte, den Eismann zu hören: Du kannst jede Wahl haben, die du willst, solange es meine ist.
    Vielleicht. Aber ich hatte zumindest eine richtige getroffen, in New York, als ich Midoris Freund in Ruhe ließ. Und vielleicht traf ich ja jetzt wieder eine richtige, indem ich zu Delilah fuhr.
    Ich dachte an die drei kleinen Worte, die sie zu mir gesagt hatte, die, auf die ich keine Antwort gewusst hatte. Mir würde schon was einfallen, vielleicht sogar, was sie »die herkömmliche Reaktion« genannt hatte, obwohl der Gedanke daran mir Angst machte. Ich hatte ihr gesagt, dass ich sie brauchte, um mich zurückzuholen, und als ich auf das gespenstische Bild in der Scheibe blickte, wusste ich, dass ich sie tatsächlich brauchte, dass ich ohne sie einfach aufgeben und vor dem Eismann kapitulieren würde. Es wäre so einfach. Ich war es gewohnt. Ein Teil von mir wollte es sogar.
    Aber etwas anderes
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