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Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung

Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung

Titel: Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung
Autoren: Barry Eisler
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versteckten Minderwertigkeitsgefühlen. Das war Hilger zwar klar gewesen, aber er hatte in den letzten zwei Jahren so viele Männer verloren, dass er nicht auf sein Bauchgefühl gehört hatte, als er neue Leute rekrutierte. Dumm. Er hätte sich mehr Zeit lassen sollen.
    Allerdings hatte der Bursche die besten Referenzen gehabt. Ehemaliger Mann bei den SEALs, der Spezialeinheit der Navy, Einsatz in Afghanistan. Doch so ein Lebenslauf war lediglich Voraussetzung und nicht immer ausreichend für das, was Hilger von seinen Leuten verlangte. Und selbst unter SEALs gab es hin und wieder einen Idioten. Anscheinend hatte Hilger das Pech gehabt, einen davon zu erwischen.
    Der Mann links von Demeere ließ seinen kahlen Kopf kreisen, und das Knacken seiner Halswirbel durchbrach die Stille. »Ich schlage vor, wir warten noch«, sagte er und sah dabei zuerst Demeere, dann Hilger an, ohne Drano eines Blickes zu würdigen. »Die Villa wäre praktisch, klar, aber es ist kein Zufall, dass er sie mitten in die Reisfelder gebaut hat. Wir würden eine Ewigkeit brauchen, um durch die Felder bis zu seinem Haus zu waten. Falls er Sensoren angebracht hat und uns kommen sieht, pulverisiert er uns einer nach dem anderen zu Dünger. Die kleine kurvige Straße möchte ich auch vermeiden. Es ist die einzige Zufahrt, und die hat er mit Sicherheit manipuliert. Uns da auf die Lauer zu legen, wenn er nicht da ist, wäre noch schlimmer. Er hat garantiert ein mehrstufiges System, das ihn warnen würde. Ich schlage vor, wir schnappen ihn uns auf unbekanntem Terrain. Der Nachteil ist, es könnte mehr Zeugen geben, und natürlich würden wir die üblichen Risiken eingehen, die bei so einer Aktion in der Öffentlichkeit auftreten. Aber alles in allem stehen unsere Chancen besser.«
    Der Mann hieß Frank Garza, aber in Hilgers Organisation war er als Pancho bekannt, der Name, den ihm seine mexikanische Mutter gegeben hatte. Im Unterschied zu Demeere, der nach außen hin trügerisch friedfertig wirkte, sah man bei Pancho sofort, dass mit ihm nicht zu spaßen war – auch wenn er versuchte, das zu kaschieren. Als einstiger Boxchampion bei den Marines besaß er auch den schwarzen Gürtel vierten Grades in Kenpo. Eines Abends hatten er und Demeere zum Spaß einen Sparringskampf begonnen, aus dem dann Ernst wurde. Wenn Hilger nicht eingegriffen hätte, hätten die beiden sich womöglich gegenseitig zu Krüppeln geschlagen und dabei auch noch ein Hotelzimmer zerlegt.
    »Die Frage ist, wie viel Zeit wir haben«, sagte der fünfte Mann, während er die Fotos durchblätterte. »Dieses Städtchen Ubud, wo er wohnt, ist nicht gerade groß, deshalb wird er früher oder später auch mal da auftauchen, wo wir ihn haben wollen. Aber wenn wir schnell handeln sollen, müssen wir da hin, wo er sein wird. Im Augenblick ist das noch die Villa.«
    Der Name des Mannes war Guthrie. Sein jungenhaftes gutes Aussehen war für ihn in seiner Zeit als Air Marshal, also als Luftsicherheitsbegleiter, eine hervorragende Tarnung gewesen, und die damalige Ausbildung hatte ihn in Verbindung mit seiner Ausnahmebegabung zu ihrem besten Kampfschützen gemacht. Im Gegensatz zu Demeere und Pancho beherrschte er keine Kampfsportart, aber er hielt auch nicht viel von körperlichen Auseinandersetzungen, sondern klärte Streitfälle lieber gleich mit seiner Wilson Combat.45, die er in einem Bauchgurt unter dem losen Hemd trug.
    Hilger nickte nachdenklich. Er hatte ihnen vieles noch nicht erzählt. Sie alle hatten in Bereichen gearbeitet, in denen das Dosieren von Informationen an der Tagesordnung war, und sie hatten Verständnis für seine Zurückhaltung. Aber vielleicht hatte er ihnen zu wenig verraten. Wenn er sie jetzt immer noch in Unkenntnis ließ, wären sie unfähig, die Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen und effektiv zu planen. Ja, beschloss er. Sie mussten mehr erfahren – vielleicht nicht gleich alles, aber doch immerhin einiges mehr.
    »Ihr seid alle zu vorsichtig«, sagte Drano, der noch immer an der Wand lehnte und auf sie hinabblickte, als wäre er gelangweilt oder als hätte er das letzte Wort.
    Hilger sah auf. Ihm gefiel weder der Tonfall des Mannes noch, dass er von »ihr« statt »wir« sprach. Die anderen Männer wechselten Blicke. Ihr Mienenspiel war zu dezent, um verächtlich zu wirken, aber Hilger wusste, dass sie Verachtung empfanden. Es war weiß Gott nicht das erste Mal, dass Drano ungebeten seinen unnützen »Sachverstand« zum Besten gab, und sie waren den
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