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Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung

Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung

Titel: Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung
Autoren: Barry Eisler
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Land.«
    »Ich versteh nicht.«
    Er seufzte. »Irgendwer muss die Finanzquellen von Amerikas Feinden zum Erliegen bringen, Rain. Wie kann das Land gegen den radikalen Islam bestehen, wenn es ihn gleichzeitig subventioniert?«
    »Was hat das mit Rotterdam zu tun?«
    »Alles. Amerikas Ölabhängigkeit ist eine Krankheit, die den Patienten umbringt. Menschenskind, Amerikanern fällt es leichter, Soldaten in den Krieg zu schicken, als Fahrgemeinschaften für den Weg zur Arbeit zu gründen. Und der Kongress ist noch schlimmer. Die Idioten haben doch tatsächlich vorgeschlagen, den Steuerzahlern einen hundertprozentigen Nachlass anzubieten, damit sie mehr Sprit kaufen – sie wollen den Süchtigen mehr Geld für einen Schuss geben, mehr Geld, das an die Mullahs und die Al-Sauds geht, unsere Feinde.«
    »Dann ist Rotterdam also eine Art Schutzimpfung.«
    »Ja. Das ist ein guter Ausdruck. Der Ölpreis wird in die Höhe gehen, so dass die Nachfrage sinkt und Marktanreize für die Entwicklung von Alternativen entstehen, aber nicht so stark, dass der Patient vor Schock in eine wirtschaftliche Depression fällt. Es ist eine Schande, dass der Patient nicht über genug Vernunft oder Willenskraft verfügt, sich durch eine Emissionssteuer selbst zu impfen. Aber Verdrängung ist das Wesen der Sucht und ändert nichts an der Tatsache, dass der Patient dringend Hilfe benötigt.«
    »Was war mit British Petroleum? Prudhoe Bay?«
    Er sah mich an. »Woher wissen Sie davon?«
    »Was spielt das für eine Rolle?«
    Eine Pause entstand, und ich dachte schon, er würde nicht antworten. Aber ich hatte gesagt, ich würde ihn vielleicht am Leben lassen. Man kann noch so knallhart sein, im Angesicht des Todes genügt schon eine Kleinigkeit, dass sich ein winziger Tropfen Hoffnung mir nichts, dir nichts in eine ausgemachte Fata Morgana der Rettung verwandelt.
    »Prudhoe Bay war ein Test für die neue Behandlungsmethode«, sagte er. »Einerseits ist er fehlgeschlagen, weil die gewünschte Wirkung ausblieb. Andererseits war er aber auch ein Erfolg, weil er gezeigt hat, dass für die Heilung des Patienten eine höhere Dosis erforderlich ist. Es gab noch andere Möglichkeiten, zum Beispiel Ras Tanura in Saudi-Arabien. Aber …«
    »Sie hatten einen ahnungslosen Helfer in Rotterdam. Boezeman.«
    »Richtig. Und ich wollte die Zahl der Opfer auf ein Minimum beschränken. Dafür bietet sich die Anlage in Rotterdam an.«
    »Das heißt, wenn Rotterdam lahmgelegt wäre …«
    »Richtig. Der Ölpreis würde in die Höhe schießen, die Nachfrage sinken, und ich hätte im Alleingang den Beginn einer Weltwirtschaft beschleunigt, die von Ol und OPEC unabhängig ist. Begreifen Sie jetzt? Verstehen Sie, was auf dem Spiel steht? Wir leben in gefährlichen Zeiten. Wir kämpfen gegen einen neuartigen Feind. Einen Feind, der sich nicht abschrecken lässt. Wie sollen wir ihn bekämpfen? Indem wir werden wie er?«
    »Sind Sie das nicht schon?«
    »Ich habe nicht ›ich‹ gesagt. Ich habe ›wir‹ gesagt. Irgendjemand muss tun, was getan werden muss, Rain. Irgendjemand muss im Schatten leben, damit andere das Licht genießen können. Irgendjemand muss sündigen, damit andere die Unschuld genießen können. Also, wenn Sie meine Gründe nicht verstehen, nur zu. Tun Sie das Einzige, wofür Sie gut sind. Sie haben mich besiegt. Sie haben gewonnen. Schon wieder.«
    Ich sagte nichts. Das Einzige, wofür Sie gut sind. Es war albern, aber die Worte trafen mich.
    »Aber ich hab eine letzte Bitte«, sagte er. »Lassen Sie mich meine Schwester anrufen. Sie ist der einzige Mensch, von dem ich mich verabschieden will. Oder wäre ein kleiner Gnadenakt ein Verstoß gegen Ihren Killerkodex?«
    Ich beobachtete ihn, die Pistole auf seine Stirn gerichtet. Ich dachte, wie leicht es doch ist, einen Finger zu krümmen, wie leicht, ein Leben zu nehmen.
    Es war mir immer leichtgefallen. Was andere nur fertigbrachten, wenn sie regelrecht genötigt wurden, mit Furcht und Gewissensqualen und heruntergeschlucktem Abscheu, konnte ich – einfach so. Und ich hatte immer weitergemacht. Es würde immer einen Grund geben, so schien es. Und wenn es keinen gab, würde ich vielleicht einen erfinden.
    »Mein Handy ist da drüben«, sagte er und deutete mit dem Kopf auf den Toten am Baum. »Mein Knie ist gebrochen, ich kann es nicht holen. Würden Sie mir Ihres leihen? Bitte?«
    Was machte es schon für einen Unterschied? Ein kleiner Gnadenakt, wie er gesagt hatte. Ich holte mein Handy hervor und warf es ihm
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