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Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen

Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen

Titel: Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen
Autoren: Barry Eisler
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herzlichere Art, und ich schätzte ihn als den weniger tödlichen der beiden ein. Er hatte sogar ein ansteckendes Lachen und bestand darauf, mir ein paar amerikanische Witze zu erzählen, die ich nicht unkomisch fand. Wenn sie ein Team waren, dann war Boaz der Frontmann und Gil der mit dem Finger am Abzug, eine Arbeitsteilung, die Gil, wie ich mir gut vorstellen konnte, sehr entgegenkam.
    Sie hatten anfänglich darauf bestanden, dass Mannys Ableben natürlich aussehen müsse. Ich drängte sie, mir eine präzisere Definition von »natürlich« zu geben. Ein Herzinfarkt ist eine natürliche Todesursache, natürlicher geht's kaum noch, und ich bin dafür bekannt, einen verursachen zu können, wenn die Bedingungen stimmen. Aber ich war mir nicht sicher, ob ich an jemanden wie Manny so nah würde rankommen können, wusste nicht, ob ich die dafür nötige Kontrolle über das Umfeld haben würde. Ich fragte sie, ob auch Unfall oder Selbstmord in Frage käme. Dagegen sei nichts einzuwenden, erwiderten sie, wenn es nur überzeugend genug aussähe. Ich sagte, dass ich dafür keine Garantie geben könnte, nicht bei den wenigen Informationen, die sie mir geliefert hatten. Ich sagte, am Ende müsste es vielleicht wie ein Verbrechen aussehen - ein Raubmord oder eine gescheiterte Entführung, ein Gewaltverbrechen, ja, aber keines, das speziell gegen Manny gerichtet gewesen war. Und daher auch niemandem anzulasten, der es lieber nicht angelastet bekäme.
    Letztendlich hatten wir uns auf eine Art gleitende Vergütung geeinigt, wobei sich die Höhe der jeweiligen Summe nach dem Grad der »Natürlichkeit« von Mannys Ableben richtete. Klar, es gab einige Grauzonen, die ein guter Anwalt womöglich besser hätte klären können. Aber ich war zuversichtlich, dass eventuelle Streitpunkte zu meinen Gunsten ausgeräumt werden würden. Jemanden wie mich übers Ohr zu hauen ist in der Regel unklug, schlaue Leute hüten sich meist davor.
    Mir fiel auf, wie sie Entscheidungen trafen. Es gab kein: »Was das betrifft, sagen wir Ihnen noch Bescheid«, oder: »Da müssen wir erst in der Zentrale nachfragen.« Sie schätzten die Fakten ein und entschieden sich auf der Stelle. Ihre Organisation räumte ihnen anscheinend ein gehöriges Maß an Selbständigkeit ein. Ich spürte bei Gil eine gewisse Unterwürfigkeit gegenüber Boaz, und
    schloss aus Boaz' vermutlich höherem Rang, dass er der Kopf und Gil eher der Arm der Operation war.
    Ich fragte sie, warum sie sich an mich gewendet hatten, statt die Sache selbst zu erledigen. Boaz lachte sein ansteckendes Lachen. Er blickte zuerst Gil, dann mich an und sagte: »Wir zwei wären in Manila nicht gerade unauffällig, oder?«
    »Ich weiß, das ist jetzt ein Schock für Sie«, antwortete ich, »aber Asiaten sehen nicht alle gleich aus. Ich sehe zum Beispiel wirklich nicht wie ein Filipino aus.«
    Boaz sagte: »Wir wollten damit nicht sagen, dass alle Asiaten gleich aussehen. Die Unterschiede sind uns durchaus bekannt. Ich meine nur, ein Asiat fällt dort weniger auf als jemand aus dem Westen. Damit liege ich doch nicht falsch, oder?«
    In Wahrheit machte ich mir diesbezüglich keine Sorgen. Es stimmt zwar, dass ich nicht wie ein durchschnittlicher Filipino aussehe, aber im Lande leben zahlreiche gebürtige Chinesen und auch alle möglichen anderen Mischungen sowie nicht wenige Einwanderer. Mit dem sonnengebräunten Teint, den ich in Rio bekommen hatte, wo ich seit meinem Weggang aus Japan lebte, wusste ich, dass ich problemlos mit der Bevölkerung verschmelzen würde. Aber die beiden sollten nicht denken, dass es leicht werden würde. Das könnte sich nachteilig auf den Preis auswirken.
    Wir schwiegen einen Moment. Boaz sagte: »Außerdem wurden Sie uns wärmstens empfohlen."
    "Delilah?«
    Gil sagte: »Und andere Quellen.«
    Ich fragte mich, ob es wirklich noch andere Quellen gab oder ob sie bloß den Eindruck erwecken wollten, mehr Kontakte zu haben, als es den Tatsachen entsprach. Cops, Geheimagenten, Vernehmungsbeamte ... anzudeuten, wie viel man weiß, gilt als altbewährte Technik, die Kontrolle zu sichern.
    »Mit welcher Begründung empfohlen?«
    Boaz zuckte die Achseln, als läge die Antwort auf der Hand. »Zuverlässigkeit. Diskretion.«
    Gil fügte mit ausdruckslosen Augen hinzu: »Tödlichkeit.«
    Ich vergewisserte mich mit einem Rundumblick, dass niemand in Hörweite war. Der unvermeidliche Englischunterricht an japanischen Schulen ist zwar manchmal fast schon liebenswert zwecklos, aber es
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