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Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen

Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen

Titel: Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen
Autoren: Barry Eisler
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sah. Sie blieben stehen, um einen Blick auf das Reklameschild des Torisei zu werfen, und gingen dann hinein. Obwohl sie in Nagoya nicht in ihrem Element waren, hatten sie keine Wegbeschreibung oder andere schriftliche Anweisungen konsultiert, ob sie das richtige Lokal gefunden hatten, und daraus schloss ich, dass sie es gewohnt waren, »steril« zu operieren, wie es in Profikreisen üblich ist.
    Ich wartete und beobachtete die Straße. Nach zehn Minuten stand ich auf und betrat ebenfalls das Lokal. Als ich den blauen Noren-Vorhang teilte, schlüpfte ich in mein japanisches Ich und dachte japanisch. Am Rande meines Gesichtsfeldes sah ich, dass sie sich an einen der kleinen Tische gesetzt hatten. Sie blickten beide auf, als ich eintrat, aber ich ignorierte sie. Delilah hatte ihnen bestimmt eine Beschreibung von mir gegeben, aber ich bezweifelte, dass sie mich aufgrund dessen würden erkennen können, wenn ich anonym bleiben wollte. Ich setzte mich an die Theke, den Blick in ihre Richtung und die Eingangstür zu meiner Rechten. Ich bestellteyaki-onigiri - gegrillte Reisklöße -und einen Asahi Super Dry, schlug meine Zeitung auf und fing an zu lesen. Nach ein paar Minuten, als ich den Eindruck hatte, dass sie mich als uninteressant eingestuft hatten, nahm ich sie in Augenschein.
    Was ich sah, gefiel mir. Sie waren geschmackvoll gekleidet, Blazer, aber keine Krawatten, und wirkten in der zweifellos ungewohnten Umgebung locker und gut gelaunt. Abgesehen von der leicht erhöhten Alarmbereitschaft, die nur jemand wie ich bemerken würde, hätten die beiden auch europäische Touristen sein können oder Geschäftsleute, die sich freuten, ein echt japanisches Lokal entdeckt zu haben, wo sie nach einem Tag endloser Besprechungen in irgendeinem gesichtslosen Konferenzraum etwas essen konnten.
    Ich blickte mich um und sah nichts, was meinen Radar auslöste. Ich ließ noch einen Moment verstreichen und erklärte dann dem Mann an der Theke, dass meine Bekannten bereits da seien und ich sie irgendwie übersehen hatte. Ich würde mich zu ihnen an den Tisch setzen, und die Kellnerin möge doch bitte dort servieren.
    Ich stand auf und schlenderte hinüber. Ich ließ meine Zeitung auf der Theke liegen, weil ich ihnen angesichts dieser Überraschung zumindest mit beruhigend leeren Händen entgegentreten wollte. Sie beobachteten mich, als ich auf sie zuging.
    Als ich an ihrem Tisch war, sagte ich: »Boaz? Gil?« Das waren die Namen, die mir genannt worden waren.
    Sie standen beide auf. Der mit dem Rücken zur Tür sagte mit leichtem Akzent: »Ich bin Boaz.«
    Der andere sagte: »Gil.«
    »Tut mir leid«, sagte ich. »Ich hab Sie nicht gleich gesehen.«
    Boaz lachte. Sie wussten verdammt gut, dass ich sie gesehen hatte.
    Wir schüttelten uns die Hände, und ich setzte mich neben Gil. Boaz blickte auf die rein japanische Speisekarte und fragte mit einem Lächeln: »Möchten Sie bestellen, oder soll ich?«
    Sein Lächeln war beruhigend, und ich erwiderte es. Ich sagte: »Vielleicht mach ich das besser.« Während wir aßen und uns unterhielten, war ich zunehmend beeindruckt. Sie waren Anfang vierzig und hatten in ihrer Organisation schon eine höhere Position erreicht, vermutlich verdientermaßen, aber nicht ohne den Bezug zur Basis zu verlieren. Sie fühlten sich in ihrer Tarnung sichtlich wohl: Obwohl mir ein Dutzend kleine Hinweise verrieten, dass sie Exmilitärs waren, hätte nichts an ihrer äußeren Erscheinung einem flüchtigen Beobachter diesen Hintergrund verraten. Sie trugen keine G-Shock-Uhren, Pilotenbrillen, zu kurzes Haar oder sonstige Anzeichen für eine dauerhafte Bindung an eine militärische Vergangenheit. Stattdessen hatte ihr Haar eine zivile Länge, sie waren geschmackvoll, sogar modisch gekleidet, und sie waren entweder unbewaffnet oder trugen Waffen, die ich nicht entdecken konnte. Sie waren selbstsicher, aber nicht arrogant, sachlich, aber nicht unterkühlt und nahmen den Anlass unseres Treffens sich dich ernst, sehr ernst, aber nicht todernst.
    Gil war der Stillere der beiden. Seine Augen waren ein Widerspruch - teilweise hinter schweren Lidern verborgen, durch die er entspannt wirkte, ja fast so, als würde er jeden Augenblick eindösen, und doch erhellt durch ein seltsames Leuchten von innen. In den Augen und in seinem ungerührten Tonfall erkannte ich den Kollegen, den Killer, der aus nächster Nähe Leben ausgelöscht hatte und bereit war, es wieder zu tun. Boaz, klein, Halbglatze und rundlich, hatte eine
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