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Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag

Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag

Titel: Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag
Autoren: Barry Eisler
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was zwischen euch war», sagte er. «Bis ich ihre Reaktion auf die Nachricht von deinem Tod erlebt habe.»
    Er hielt einen Moment inne, dann sah er mich mit resigniertem Blick direkt an. «Es muss sehr schmerzhaft für dich sein, was mir sehr Leid tut. Doch ich bin mehr denn je der Überzeugung, dass es richtig von mir war, sie anzulügen. Deine Situation war unhaltbar.
    Für sie ist es sehr viel besser, wenn sie nicht weiß, dass du mit dem Tod ihres Vaters zu tun hast. Stell dir vor, sie wüsste es; wie sollte sie das verkraften nach dem, was zwischen euch war?»
    Ich war nicht einmal erstaunt, dass Tatsu Bescheid wusste. «Sie hätte es nicht erfahren müssen», hörte ich mich sagen.
    «Ich glaube, irgendwo in ihrem Unterbewusstsein hat sie es gewusst. Und irgendwann hätte sich ihr Verdacht erhärtet. Stattdessen lebt sie jetzt mit der Erinnerung an den Heldentod, den du gestorben bist, um den letzten Wunsch ihres Vaters zu erfüllen.»
    Ich begriff, wenn auch noch nicht mit ganzer Klarheit, dass Midori bereits zu einem Teil meiner Vergangenheit gemacht worden war. Es war wie ein Zaubertrick. Man sieht etwas, und im nächsten Moment sieht man es nicht mehr. Etwas ist real, und im nächsten Moment ist es nur noch eine Erinnerung.
    «Wenn ich das sagen darf», warf Tatsu ein, «ihr beide hattet nur eine kurze Affäre. Es ist also anzunehmen, dass sie nicht allzu lange trauern wird.»
    «Danke, Tatsu», brachte ich heraus. «Sehr tröstlich.»
    Er neigte den Kopf. Es wäre unschicklich für ihn gewesen, seinen widerstreitenden Gefühlen Ausdruck zu verleihen, und außerdem würde er ohnehin tun, was er tun musste. Giri und Ninjo. Pflicht und menschliches Gefühl. In Japan hat Ersteres immer Vorrang.
    «Ich kapier das noch immer nicht», sagte ich nach einem Moment. «Ich dachte, du wolltest den Inhalt der CD veröffentlichen. Das würde doch deine Verschwörungs- und Korruptionstheorien bestätigen.»
    «Mit den Verschwörungen und der Korruption aufzuräumen ist wichtiger, als meine Theorien zu bestätigen.»
    «Ist das nicht ein und dasselbe? Bulfinch hat gesagt, die japanischen Medien müssten unweigerlich nachziehen, wenn der Inhalt der CD veröffentlicht würde, und dass Yamaotos Macht zusammenbrechen würde.»
    Er nickte langsam. «Da ist etwas Wahres dran. Aber die Veröffentlichung der CD wäre wie das Zünden eines atomaren Sprengkopfes. Das macht man nur ein einziges Mal, und die Folge ist vollständige Zerstörung.»
    «Na und? Zünde den Sprengkopf. Zerstöre die Korruption. Lass die Gesellschaft wieder atmen.»
    Er seufzte, und aus Mitgefühl für den Schock, den ich gerade erlitten hatte, war er möglicherweise weniger ungeduldig als sonst, wenn er mir alles haarklein erklären musste. «In Japan ist die Korruption die Gesellschaft. Der Rost hat sich so tief eingefressen, dass die ganze Suprastruktur daraus besteht. Du kannst ihn nicht einfach komplett herausreißen, denn dann bricht die Gesellschaft zusammen, die schließlich darauf beruht.»
    «Blödsinn», sagte ich. «Wenn sie so korrupt ist, dann lass sie zusammenbrechen. Weg mit dem Rost.»
    «Rain-san», sagte er mit einem Anflug von Ungeduld in der Stimme, «hast du schon mal drüber nachgedacht, was aus den Trümmern entstehen würde?»
    «Wie meinst du das?»
    «Versetz dich doch in Yamaotos Lage. Plan A ist, mit der CD zu drohen, um hinter den Kulissen die Fäden der LDP zu ziehen. Plan B ist, die CD zu zünden – sie zu veröffentlichen -, um die LDP zu zerstören und Shinnento an die Macht zu bringen.»
    «Weil nur die LDP durch das Material belastet wird», sagte ich, und allmählich verstand ich, worauf er hinauswollte.
    «Natürlich. Im Vergleich dazu wirkt Shinnento wie ein Muster an Rechtschaffenheit. Yamaoto müsste zwar hinter den Kulissen hervorkommen, aber er hätte endlich eine Bühne, von der aus er die Nation nach rechts steuern könnte. Im Grunde, so glaube ich, ist das seine größte Hoffnung.»
    «Wie kommst du darauf?»
    «Weil es Anzeichen dafür gibt. Gewisse Prominente äußern sich immer wieder lobend über einige kaiserliche Entscheidungen von vor dem Krieg über Erziehung, die Vorstellung der Japaner als ‹göttliches Volk› und andere Dinge. Politiker der Mitte besuchen in aller Öffentlichkeit Schreine wie den Yasukuni-Schrein für die im Krieg Gefallenen. Ich glaube, solche Ereignisse werden still und heimlich von Yamaoto inszeniert.»
    «Ich wusste nicht, dass du in diesen Dingen so liberal bist,
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