Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Töte, Bajazzo

Töte, Bajazzo

Titel: Töte, Bajazzo
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
Spiel, und sie mußte uns aus der Reserve locken.
    Das begann mit einem stummen Schauspiel. Beinahe war ich schon ein wenig enttäuscht, als ich den Gesang nicht hörte, aber die Totenmaske begann mit ihrer Veränderung.
    Unter den schwarzen Brauen zeichneten sich die dunklen Pupillen ab.
    Es war auch für mich faszinierend und unheimlich zugleich, wie sich gerade diese beiden Pupillen mit einer Flüssigkeit füllten, als wollten sie überlaufen. Dunkles Wasser, schwarze Tränen, so kannte auch Mirella die Maske, denn so hatte sie sie im Spiegel der Bar gesehen.
    Die Totenmaske weinte.
    Die Trauer um den Verlust des geliebten Mädchens zeichnete sich durch die Tränen deutlich ab, die jetzt aus den Augen quollen und eben die dunklen Streifen auf den Wangen hinterließen, als wäre es graues Wasser, das über das Gesicht lief.
    Die schwarzen Tränen der Trauer.
    Eine Totenmaske ist normalerweise unbeweglich, die Maske vor uns bewegte sich jedoch. In ihr steckte plötzlich ein unheimliches Leben, denn die untere Hälfte, genau dort, wo sich der Mund befand, fing an zu zucken.
    Die Maske weinte…
    Tränen flössen, der Mund zuckte, und uns wehte eine schaurige Trauer entgegen.
    »Nein, Gott, nein…« stammelte Mirella neben mir. Sie schlug die Hände vor ihr Gesicht, weil sie nicht mehr zusehen konnte, was da alles ablief.
    Wahrscheinlich erlebte sie die Dinge der Vergangenheit noch einmal, als sie Franco Romero erklärt hatte, daß sie auf keinen Fall seine Frau werden würde.
    Sie kriegte nun die Quittung.
    Die Maske weinte…
    Tränen flössen in schwarzen Streifen nach unten. Immer wieder zuckten auch die Augen, wobei sich die Brauen wie dunkle Würmer bewegten, die sich ständig veränderten.
    Der Strom der Tränen sah aus, als würde er niemals zu stoppen sein.
    Ich tat auch nichts, denn die Maske griff nicht an, sie war gekommen, um uns zu zeigen, wie sehr sie litt.
    Aber wer litt hier tatsächlich?
    War es nur die Totenmaske oder auch ein feinstofflicher Körper, den wir bisher nicht entdeckt hatten? Wir hörten auch keinen Gesang, es lief alles in einer bedrückenden Stille ab.
    Auch Mirella hatte sich wieder gefangen. Sie wischte ihre Augen klar und flüsterte: »So war es damals, er hat ebenfalls geweint. Er war voll der großen Trauer. Er hat sich… er hat sich davon nicht erholen können. Es wiederholt sich…«
    Noch erlebten wir die Trauer, noch blieb der Haß zurück, aber darauf konnten wir nicht hoffen. Wir kannten das Versprechen des Clowns, und je mehr Zeit verging, um so ungeduldiger wurde ich.
    Plötzlich war sie da!
    Und wieder entstand sie wie aus dem Nichts. Sie schwebte oberhalb der Totenmaske, bewegte sich zitternd und wirkte wie ein Fallbeil, das darauf wartete, nach unten zu rasen, um das zu zerstören, was es abgrundtief haßte.
    Auch Mirella hatte die Waffe gesehen. Sie saugte scharf die Luft ein, bevor sie sprechen konnte. »Das Messer, mein Gott, das Messer.« Ihre Hand zuckte vor und zurück, und sie begleitete jede Bewegung mit einem Nicken. »Es ist das gleiche wie auf der Bühne damals. Nur ist es echt. Der Bajazzo wird mich töten, er will mich, er will mein Blut sehen. Er hat auch meine Eltern umgebracht. Er ist… er ist… von uns nicht zu stoppen.«
    Die Klinge tat uns nichts. Sie blieb ruhig in der Luft stehen, und von ihr ging sogar ein matter, leicht bläulich und silbrig schimmernder Glanz aus.
    Daß die Waffe töten konnte, hatte sie bewiesen, und auch ich war ihr nur im letzten Moment entwischt.
    Ich spürte, daß sich etwas anbahnte. Die Spannung verdichtete sich. Die Kräfte einer anderen Welt griffen mit ihren langen, unsichtbaren Riesenfingern nach uns. Auf einmal schwebte uns der Gesang entgegen. Der Prolog des Bajazzo!
    »Hüll Dich in Tand nur und schminke Dein Antlitz…«
    Da wußte ich, daß das Finale begonnen hatte!
    Wir taten trotzdem nichts, sondern blieben auf der Stelle stehen.
    Allerdings brauchte Mirella Dalera in diesem Augenblick einfach den körperlichen Kontakt zu mir, deshalb streckte sie auch ihren Arm aus und faßte mich an.
    Durch den Stoff meiner Jacke spürte ich das Zittern ihrer Finger und hörte sie auch fragen. »Wird er… wird er… kommen…?«
    »Ja.«
    »Ich habe Angst.«
    »Das verstehe ich.«
    »Ich bin schuld, nur ich…«
    »Nein, das dürfen Sie nicht sagen.«
    »Ich werde beten, John!«
    »Tun Sie das!«
    Ich hörte nicht auf ihre Worte, denn der Gesang des noch Unsichtbaren hatte sich verstärkt. Anhand der Lautstärke hörte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher