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Tödliches Paradies

Tödliches Paradies

Titel: Tödliches Paradies
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sie den Kopf drehte, konnte sie die ovale Form eines Bullauges erkennen. Und draußen schaumige Fetzen, Wasser, das vom Kiel eines Bootes hoch geworfen wurde.
    Ein Schiff!
    Sie war auf einem Schiff. Lieber Gott, auf welchem Schiff?!
    Sie preßte die Kuppen ihrer Finger gegen die Kopfhaut, schob sie hin und her, massierte dann die Schläfen in dem verzweifelten Versuch, diesen unangenehmen, stechenden Druck loszuwerden, spürte, wie ein heißes, schmerzendes Gefühl in der Nase entstand, ihre Augenhöhlen ausfüllte und in die Stirn stieg.
    Denken … nachdenken! Was ist geschehen? Ja, die Spritze, das weißt du doch. Die Spritze und diese scheußliche Szene, als Matusch dich festhielt, grob und brutal, wie der Metzger ein Schlachtkalb.
    Fischer hatte injiziert … Und die Dosis konnte nicht so stark gewesen sein, wie beim ersten Mal. Sonst könntest du dich nicht sofort erinnern.
    Sie rieb mit beiden Handballen die Augen, versuchte aufzustehen, aber eine heftige Bewegung des Schiffes warf sie aufs Bett zurück. Ein kleines Schiff mußte das sein. Wie spät?
    Sie sah auf ihre Armbanduhr: Kurz vor sechs. – Auf einem Schiff also, verladen wie ein Postpaket. Und wo schickt er dich hin? Ob er selbst an Bord ist? Was war geschehen? Die Terrasse … Dann der Fluchtversuch über die Mauer, der so kläglich scheiterte …
    Kurz vor sechs. Lieber Gott, hoffentlich derselbe Tag?!
    Dies alles macht mich so traurig, mein Herz.
    Das war noch auf der Terrasse gewesen. Doch da fielen auch noch andere Sätze. Was hatte er gesagt, als Matusch sie in sein Arbeitszimmer und vor seinen Rollstuhl getrieben hatte?
    Schlimm für uns beide, Melissa.
    Und weiter: Zum Reden haben wir keine Zeit. Später.
    Warum nicht? Wieso hatte er ihr nicht einen seiner üblichen Vorträge gehalten? Was hieß: Zum Reden haben wir keine Zeit? Und was verstand er unter: Später?
    Und da war noch ein Satz, nicht an sie, sondern an Matusch gerichtet: Hat noch mal gefunkt. Wir müssen uns beeilen.
    Das Schiff hier. War Fischer vielleicht auf der Flucht? Und wenn, vor wem? Der Gedanke warf einen Schauer über ihren Rücken. Hatte sie das Gefängnis auf dem Land mit einer Zelle auf dem Meer getauscht?
    Sie brachte das Gesicht an die runde Luke. Weit draußen am Horizont, der immer wieder von hochlaufenden Wellenkämmen zerrissen wurde, zog ein Tanker seinen Kurs. Dort gab es Menschen. Dort wäre Hilfe. Dort gab es ein Funkgerät, um Tim zu rufen …
    Es wurde ihr wieder übel. Sie hielt sich fest, sah das Waschbecken, das auf der anderen Seite in einen Schrank eingelassen war.
    Sie schaffte die drei Meter, öffnete den Hahn, schöpfte Wasser mit beiden Händen und wusch sich das Gesicht, wieder und wieder. Sie machte ihr Haar, die Kopfhaut, die Schläfen damit naß und versuchte dann mit kurzen, schnellen Schlägen an die Wangen das Denken zu mobilisieren. Eine neue, genauso verrückte Situation wie zuvor … Was jetzt? Es mußte ihr doch eine Lösung einfallen. Irgend etwas, das man tun konnte, statt dämlich zur Resignation verurteilt, abzuwarten. Verdammt, wann fängt der Apparat in deinem Kopf endlich an zu funktionieren?
    »Nichts, als eine Maschine ist der Mensch, mein Herz. Nichts, als ein System …« Und wieder hörte sie Fischers Worte: »Ein System, das sich beeinflussen läßt, von der Arbeit der Neurotransmitter, der Ladung der Energie in den Nervenbahnen bis zum Zusammenspiel der hormonellen Stoffe – alles beherrschbar …«
    Sie kämpfte den Wunsch nieder, sich zu übergeben. Dann, als ihr Magen aufhörte zu schmerzen, wurde ihr fast schlagartig besser. Nicht warten, das war es! Irgend etwas unternehmen, sich auf die neue Lage einstellen – egal wie.
    Wieder rollte das Schiff schwer. Melissa taumelte, hielt sich an der Klinke fest und drückte. Abgeschlossen! Schön, das war nun wirklich nicht neu. Vielleicht konnte man sich sogar daran gewöhnen. Und Gott sei Dank gehörte es nicht zu seinem Stil, sie auf die Dauer einzusperren. Das hatte er auf Son Vent bewiesen. Je entschiedener sie ihm aber zeigte, daß sie sich diese Behandlung nicht gefallen ließ, um so besser.
    18 Uhr 10
    Sie hämmerte mit den Fäusten gegen die Tür: »Aufmachen!« Dann schrie sie nicht länger, sondern sah sich im Raum um, fand einen schweren Aschenbecher, nahm ihn in die Hand. Das Holz splitterte, als sie das Messing gegen die Tür donnerte.
    Von außen rief ihr jemand etwas zu. Sie ließ den Aschenbecher sinken, behielt ihn aber in der Hand.
    Die Türe öffnete sich.
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