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Tödliches Labyrinth

Tödliches Labyrinth

Titel: Tödliches Labyrinth
Autoren: Rebecca Brandewyne
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bedauernd den Kopf geschüttelt, wenn Roland nach einem neuen Weg gesucht hatte, um mit seinem Vater in Kontakt zu treten. Der war über die Jahre praktisch zum Einsiedler geworden, und inzwischen hatte er möglicherweise wirklich den Verstand verloren. “Aber Merritt ist zutiefst verärgert über die Art, wie Sie in der letzten Zeit mit Ihren Anteilen stimmen. Er sagt, Sie hätten offensichtlich vergessen, wessen Sohn Sie sind. Sie würden nur Ihre Zeit absitzen und darauf warten, dass er stirbt und Sie sein weltweites Unternehmen an sich reißen können.”
    “Sie wissen, dass das nicht stimmt, Winston”, hatte Roland wiederholt und wahrheitsgemäß mit großem Nachdruck entgegnet, jedoch ohne Erfolg. Es war ihm nicht gelungen, zu seinem Vater durchgelassen zu werden, der ihm vor einigen Jahren sein Haus in der Wüste als Hochzeitsgeschenk überlassen hatte, während er selbst in ein Penthouse in dem Wolkenkratzer gezogen war, in dem sich die Zentrale von MMI befand.
    Mitarbeiter und Außenstehende bezeichneten Merritts luxuriöse Dachwohnung häufig als Pentagon, weil die Sicherheitsvorkehrungen so extrem waren. Gemäß seinen Anweisungen durften die zwei obersten Etagen direkt unter seinem Penthouse nicht benutzt werden. Sie waren komplett versiegelt worden, damit niemand sich dorthin Zutritt verschaffen konnte. Die beiden Privataufzüge, die zu seiner Wohnung führten, konnten nur mit Chipkarten und einem Zugangscode benutzt werden, der im wöchentlichen Turnus geändert wurde.
    Wäre dieses Hindernis nicht gewesen, hätte Roland einfach einen der Aufzüge genommen, wäre nach oben gefahren und hätte seinen Vater aufgefordert, ihm die Tür zu öffnen. Doch nachdem man Roland aus der Machtstruktur des Unternehmens entfernt hatte, verfügte er auch nicht mehr über die erforderlichen Codes für die Aufzüge. Merritt hatte zudem eine neue Nummer für seinen Privatanschluss bekommen, die Roland gleichfalls nicht bekannt war. Selbst die Briefe, die er an seinen Vater geschrieben hatte, waren postwendend zurückgekommen – natürlich ungeöffnet.
    Zuerst hatte Roland mit Wut, Schmerz und Verwirrung darauf reagiert, wie abrupt und unverständlich sich Merritt gegen ihn gewandt hatte, ohne dabei jedoch auf die Idee zu kommen, dass er sich vielleicht gar nicht selbst die Schuld daran geben musste. Erst nach und nach war ihm langsam bewusst geworden, dass in Wahrheit bei MMI irgendetwas nicht mit rechten Dingen zuging.
    Von einer Hand voll Männern in wichtigen Positionen im internationalen Aufsichtsrat des Unternehmens abgesehen, gab es niemanden, der in den letzten Jahren seinen Vater zu Gesicht bekommen hatte. Erst als ihm das bekannt geworden war, hatte sich in Roland der Verdacht geregt, Merritt könnte nun endgültig den Verstand verloren haben. Oder er war aufgrund anderer Umstände völlig handlungsunfähig – vielleicht sogar tot.
    Anfangs hatte Roland sich noch eingeredet, seine Verdächtigungen seien völlig aus der Luft gegriffen, und es sei unmöglich, dass eine kleine Gruppe einflussreicher Personen dem Gründer und Aufsichtsratsvorsitzenden von MMI die Kontrolle über das Unternehmen entzog, ohne dass ein Dritter davon etwas mitbekommen hätte. Doch je länger Roland über diesen Punkt nachdachte, umso mehr hatte er einsehen müssen, dass eine derartige Entwicklung in Anbetracht des bizarren Verhaltens seines Vaters
durchaus
möglich sein konnte.
    Als Kind war es ihm nicht aufgefallen, dass sein Vater nicht ganz bei Verstand war. Erst als Roland älter wurde, war ihm eines klar geworden: Wäre sein Vater nicht ein so außergewöhnliches Genie und zugleich so reich gewesen, hätte man ihn wohl in einem Sanatorium untergebracht.
    Doch da Merritt so brillant und unglaublich reich war, sahen die Leute nur zu gerne über sein seltsames, launenhaftes Verhalten hinweg und taten es als jenen exzentrischen Zug ab, den man mit einem kreativen Geist, einem Künstler oder Erfinder fast zwangsläufig in Verbindung brachte. Menschen von diesem Schlag waren geistig und gefühlsmäßig immer woanders, nur nicht im Hier und Jetzt, und sie neigten oft zu den unterschiedlichsten Wahnvorstellungen, Zwangsneurosen und Phobien. Dass solche Menschen aber normalerweise nicht davon beherrscht wurden, sondern diese Dinge im Griff hatten, war Roland erst im Erwachsenenalter klar geworden.
    Als Kind hatte er immer nur gewusst, dass sein Vater anders war, dass er ein Mann war, der in die Reihen überragender Wissenschaftler und
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