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Tödliches Farbenspiel

Tödliches Farbenspiel

Titel: Tödliches Farbenspiel
Autoren: Marcia Muller
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Luft.
    Collins drehte den Kopf und wechselte
die Richtung. Ich lief ihm nach durch die Büsche. Er hielt direkt auf die Mauer
zu. »Paul, bleiben Sie stehen. Sie entkommen doch nicht.«
    Er blickte zurück, stolperte, faßte
nach einem Ast. Er verfehlte ihn, und ich verlor ihn im Dickicht aus den Augen.
Ich hörte seine Schritte. Keuchend schlug ich mich durch das Gebüsch. Plötzlich
hörte ich einen leisen Aufschrei, der zu einem gellenden Schrei wurde.
    »Paul! Warten Sie!«
    Ein gedämpfter Aufschlag folgte.
    Ich rannte zur Treppe hinüber und dann
hinunter. Noch ehe ich den verkrümmt daliegenden Collins erreichte, sah ich an
der unnatürlichen Haltung seines Kopfes, daß er tot war.
     
     
     

26
     
    Ich saß auf der Fensterbank in Gregs
kleinem Haus auf den Twin Peaks und sah auf die Stadt hinunter. Es war sehr
spät, und aus dieser Entfernung bot San Francisco ein Bild romantischer
Schönheit. Vieles, was ich auch dort unten wußte, verschleierte der sanfte
Dunst: billige Absteigen, die Wermutbrüder in den Tümischen, die verrottenden
Häuser der Slums, die häßlichen Geheimnisse, die in vielen Häusern
schlummerten.
    Eleanor van Dynes Worte über den
Frühling, in dem Richard Wintringham gestorben war, fielen mir ein: »Es war ein
wunderschöner Frühling; einen schöneren hatten wir nie erlebt... Diese
Schönheit stand in einem solchen Kontrast zu dem, was in der Steiner Street
damals geschah, daß es um so grausamer erschien.«
    Ich fröstelte, hob mein Brandyglas und
trank einen Zug.
    Die Stunden nach Mitternacht hatte ich
im Justizpalast zugebracht, wo ich meine Aussage zu Protokoll gegeben hatte.
Wenn man einen Mordverdächtigen über eine Betonmauer in den Tod gejagt hat,
kann man nicht einfach kehrtmachen und nach Hause gehen; nicht einmal, wenn man
mit dem ermittelnden Beamten befreundet ist. Erst muß den Formalitäten Genüge
getan werden. Greg war sachlich gewesen, hatte sich seine üblichen Sticheleien
verkniffen, einfach war es dennoch nicht für mich gewesen. Seine Bemerkungen
darüber, daß ich Beweismaterial zurückgehalten hatte, waren streng und recht
barsch gewesen. Während ich berichtete, wurde mir klar, daß ich Paul Collins
gemocht hatte, obwohl er diese Morde begangen hatte. Er war ein sanfter Mensch
gewesen, der Mühe gehabt hatte, mit seiner Veranlagung zurechtzukommen. Zwar
konnte das seine Verbrechen nicht entschuldigen, es machte sie aber eher
verständlich.
    Und mit diesem Verstehen kam eine
reinigende Flut der Trauer, die auch jetzt wieder über mich hinwegschwemmte.
Während ich meinen Brandy trank und zur Stadt hinuntersah, dachte ich an David
Wintringham.
    Als ich aus Gregs Büro gekommen war,
hatte ich David und Charmaine auf einer Bank im Dienstraum sitzen sehen. David
vorgebeugt, die Arme zwischen den Knien herabhängend, Charmaine nervös
rauchend, mit einem übergeschlagenen Bein wippend. Ich ging zu ihnen.
    »David«, sagte ich. »Es tut mir leid.«
    Er sah auf. Seine Augen waren stumpf
wie am frühen Abend, nachdem er von Frenchs Ermordung erfahren hatte. »Das ist
auch nötig.«
    »Aber Paul —«
    »Nein.« Er stand auf und nahm meine
Hände in die seinen. »Ich hatte schon einen Verdacht gegen Paul. Nicht bewußt,
aber ich glaube, ich ahnte schon seit dem Tod meines Vaters so etwas. Nach
Jakes Ermordung bestätigte ich Pauls Alibi wie zuvor, aber mir wurde plötzlich
klar, daß ich beide Male ganz automatisch seine Behauptung, er sei mit mir im
Haus gewesen, bestätigt hatte, weil ich ihm glaubte. Das erstemal hatte er gesagt,
er sei in der Küche gewesen und habe Tee gekocht. Wir lebten damals zwar
getrennt, nahmen aber die Mahlzeiten gemeinsam ein, und er hatte mir an dem
Abend tatsächlich eine Tasse Tee gebracht. Über die Zeit hätte ich allerdings
nichts sagen können.«
    Wintringham schwieg einen Moment. »Man
stelle sich das vor: Er brachte mir eine Tasse Tee, nachdem er kurz zuvor
meinen Vater getötet hatte!«
    Mich schauderte. »Wie war es an dem
Abend, als Jake starb? Wo wollte er da gewesen sein?«
    »Oben. Er habe gelesen, sagte ich. Ich
hätte es eigentlich wissen müssen, daß das nicht stimmte. Man spürt es, ob noch
eine andere Person im Haus ist oder nicht. Aber ich wollte es wahrscheinlich
nicht wissen.«
    Ich hielt seine Hände noch einen Moment
fest. »Und die Lampe«, sagte ich schließlich, »das Auge der Tigerkatze, war sie
arg beschädigt?«
    »Nein, so schlimm ist es gar nicht«,
sagte Charmaine. »Ich sah sie, als sie sie
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