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Tödlicher Schnappschuss

Tödlicher Schnappschuss

Titel: Tödlicher Schnappschuss
Autoren: Andreas Schmidt
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Leben als Leiter des KK 11 hatte
     ihn verbittert gemacht. Es schien ihm, als würden die Menschen immer
     verrückter, immer brutaler und immer gewaltbereiter werden.
    Diese Gedanken gingen ihm
     durch den Kopf, als er an eine etwa hüfthohe Mauer trat und hinunter
     ins Tal blickte. Die ehemalige Burg lag
     direkt an einer Weserschleife. Unten querte eine kleine Fähre den
     Fluss. Ulbricht betrachtete die saftig grünen Wiesen, über denen
     noch der Frühnebel hing. Gelbe Rapsfelder und Weiden lagen wie ein
     natürliches Schachbrett auf der sanft hügeligen Landschaft des
     Weserberglandes. Der kleine Ort lag verschlafen zu Füßen der
     Burgruine und erinnerte ihn unwillkürlich an das Dorf einer
     Modellbahnlandschaft.
    Als er den Kopf in den Nacken
     legte und zum Himmel hinaufblickte, ahnte er, dass es ein angenehm warmer
     und sonniger Tag werden würde. Ulbricht hockte sich auf die Mauer und
     genoss den ländlichen Ausblick. Auf der Straße, die sich gleich
     neben dem Fluss entlangzog, rumpelte ein Kieslaster mit surrenden Reifen
     nach Norden. Sechs PKW hingen ihm wie lästige Insekten an der Stoßstange.
     Die Fahrer fluchten wahrscheinlich, weil sie den gemächlich
     dahinschleichenden Lastwagen auf der kurvenreichen Straße nicht
     überholen konnten.
    Ein Grinsen huschte um
     Ulbrichts Mundwinkel, doch es war kein schadenfrohes Grinsen. Er genoss es
     zum ersten Mal, keinen Stress zu haben und atmete tief durch. Ja, dachte
     er sich, die Luft hier tut gut. Dann nahm er einen Schluck von seinem
     Kaffee und machte sich an der Tüte zu schaffen. Die Brötchen
     dufteten herrlich. Er entschied sich für das Mettbrötchen, nahm
     es heraus und biss hinein. So könnte es doch immer sein, dachte er
     zufrieden mit sich und seiner Welt. Mit nichts und niemandem etwas am Hut
     zu haben und einfach dort zu sein, wo es ihm gefiel.
    Während er frühstückte,
     genoss er vom Bergsporn aus das Panorama. Immer wieder spülte er mit
     einem Schluck Kaffee nach. Irgendwann blickte er jenseits der Mauer, auf der er saß, nach
     unten. Weit ging es nicht hinunter, und dichtes Buschwerk und einzelne Bäume
     hinderten ihn daran, die Tiefe zu schätzen. Efeu kletterte an den mächtigen
     Steinquadern empor.
    Doch da war etwas, das ihm
     das Blut in den Adern gefrieren ließ: Ulbricht sah eine Person, die
     in verrenkter Haltung leblos im Grün hing. Sofort dachte er an den
     roten Porsche auf dem Parkplatz. Handelte es sich bei dem Mann um den
     Besitzer des Sportwagens? Er war nicht sicher und zog auch einen Wanderer
     ins Kalkül, der über die Mauer nach unten gestürzt war und
     sich im Astwerk hatte fangen können. Doch zum einen trug der Mann
     nicht die typische Kleidung eines Wanderers, zum anderen blickte Ulbricht
     in weit geöffnete, leblose Augen, die anklagend zu ihm aufblickten
     und auch aus der Entfernung keinen Zweifel daran ließen, dass der
     Mann tot war.
    Die Hand, mit der Ulbricht
     das Brötchen hielt, öffnete sich. Das Brötchen entglitt ihm
     und stürzte nun ebenfalls in die Tiefe. Als er nach dem Handy
     angelte, das sich in der Tasche seines leichten Sommermantels befand,
     kippte er auch noch den Becher um, der vor ihm auf dem Mauerwerk stand. Im
     Fallen löste sich der Plastikdeckel des Bechers. Die braune Brühe
     schwappte nach unten und ergoss sich über den Toten, der nun erst
     recht keinen schönen Anblick mehr bot. Ulbricht vergaß, dass er
     hier zur Kur war.
    Sein Gehirn funktionierte
     wieder präzise wie ein Computer, als er den Notruf wählte und
     den Kollegen in der Zentrale schilderte, welch grausame Entdeckung er hier
     oben auf der Burgruine von Polle gemacht hatte.
     
    Osterstraße, Hameln,
     8.50 Uhr
    Normalerweise hätte sie
     Lisa, ihre Praktikantin, zur Bäckerei geschickt. Doch die hatte sich
     pünktlich zum Dienstbeginn krankgemeldet: Migräne. Aber Maja
     Klausen wusste, dass die Kleine gestern zu einer Party eingeladen gewesen
     war. Dumm genug, ihrer Vorgesetzten vorher davon zu berichten, war sie
     immerhin gewesen. Vermutlich hatte sie die Nacht durchgemacht, reichlich
     Alkohol getrunken und war schlicht nicht aus dem Bett gekommen, als der
     Wecker sie aus den Träumen gerissen hatte. Völlig verkatert
     hatte sie sich telefonisch krankgemeldet.
    Ein Schmunzeln legte sich auf
     Majas volle Lippen. Die Kleine musste eben noch viel lernen und war noch
     nicht lange genug bei der Polizei, um ihr etwas vormachen zu können.
     Doch sie war ihr nicht böse,
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