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Tödlicher Schnappschuss

Tödlicher Schnappschuss

Titel: Tödlicher Schnappschuss
Autoren: Andreas Schmidt
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geträumt, sich einmal im Leben einen solchen
     Wagen gönnen zu können. Doch als kleiner Kommissar würde
     der Traum vom eigenen Porsche wohl immer ein Traum bleiben. Dagegen wirkte
     sein alter Vectra wie ein automobiles Relikt aus einer längst
     vergangenen Zeit.
    Norbert Ulbricht atmete tief
     durch, als er aus dem Wagen stieg und mit unverhohlenem Neid zu dem
     Porsche blickte, neben dem er seinen Vectra geparkt hatte. Die Luft im
     Weserbergland war nicht zu vergleichen mit dem Mief, der seine Lungen in
     Wuppertal täglich quälte. Doch ob es das wert war, hier eine Kur
     unter strenger medizinischer Aufsicht zu verbringen, wagte er zu
     bezweifeln. Er hatte sich in die Hände irgendwelcher Quacksalber
     begeben, fühlte sich ihnen ausgeliefert. Ulbricht war ein erwachsener
     Mann, und allein die allmorgendliche Frage »Wie geht es uns denn?«
     brachte ihn zur Weißglut. Das war Ärztedeutsch und hatte nichts
     damit zu tun, wie man einen volljährigen Mann ansprach, der im
     Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war. Am liebsten hätte
     Ulbricht dem Weißkittel mit einem »Mir geht es gut, ich weiß
     natürlich nicht, wie es Ihnen geht« geantwortet. Aber er hatte
     es sich abgewöhnt, sich aufzuregen. Stattdessen entzog er sich den Ärzten, wo
     immer er nur konnte. Ulbricht kam auch allein gut zurecht. Immerhin zahlte
     die Kasse den ganzen Mist. Schon in den frühen Morgenstunden hatte er
     sich aus dem Kurhotel geschlichen und war dem allzu gesunden Frühstücksbuffet
     entkommen, um sich unterwegs in einer Bäckerei mit belegten Brötchen
     und einem Kaffee im Pappbecher zu versorgen.           
    Als er weitergefahren war,
     hatte ihn die Burgruine, die über dem kleinen Ort thronte, magisch
     angezogen. Hier, so hatte er beschlossen, würde er sein heutiges Frühstück
     genießen. Die Gesundheit, die man ihm in der Kur predigte, war ihm
     zuwider. Obwohl er erst seit zwei Tagen hier war, sehnte er sich zurück
     nach Wuppertal, der Stadt im Bergischen Land, von der die Menschen hier
     nicht viel mehr wussten, als dass dort in den 1950er-Jahren ein Elefant
     aus der weltberühmten Schwebebahn gestürzt war.
    Nun, sei's drum, dachte er
     sich. Die vier Wochen Kur würde er überleben, und dann wartete
     wieder der graue Alltag auf ihn. Er würde sich früh genug wieder
     mit Gewaltverbrechern und Brandstiftern herumschlagen müssen. Also
     hatte er beschlossen, das Beste aus seiner Situation zu machen und verdrückte
     sich, wo es ging, um den Anwendungen, die ihm der Arzt verschrieben hatte,
     zu entgehen. Der ganze Gesundheits-Kram ging ihm gehörig auf die
     Nerven, und während sein Blick an den Resten der Burgruine
     emporglitt, sehnte er sich nach einer Zigarette. Doch er blieb hart.
     Vielleicht würde er wenigstens ein Erfolgserlebnis mit nach Hause
     nehmen. Niemand hätte auch nur einen verdammten Euro darauf
     verwettet, dass Kommissar Norbert Ulbricht als Nichtraucher zurückkehren
     würde.
    Sein Magen meldete sich mit
     einem vernehmlichen Knurren. Ulbricht umrundete den Wagen, stellte den
     Kaffeebecher auf dem Dach ab, öffnete die Beifahrertür und
     angelte nach der Tüte mit den Brötchen. Seine Laune besserte
     sich schlagartig, als er mit Brötchen und Kaffee bewaffnet die Stufen
     zur Burg erklomm. Oben angekommen, stellte er fest, dass der
     jahrzehntelange Nikotingenuss ihn kurzatmig hatte werden lassen. Es hatte
     schon seinen Grund, weshalb sein Hausarzt ihm die Kur verschrieben hatte.
     Doktor Märtins hatte darauf bestanden, dass sich Norbert Ulbricht während
     der vier Wochen in Bad Pyrmont das Rauchen abgewöhnte. »Sie
     haben Raubbau mit Ihrer Gesundheit betrieben«, hallten seine Worte
     in Ulbricht nach. »Und nun ist es an der Zeit, den Lebensstil zu
     ändern, wenn Sie noch etwas von Ihrem wohlverdienten Ruhestand genießen
     wollen.« 
    Der Ruhestand, durchzuckte es
     Ulbricht. Ja, lange dauerte es nicht mehr, bis ihn die Wuppertaler
     Polizeipräsidentin aufs Abstellgleis schieben würde. Lust auf
     seinen Job hatte er schon lange nicht mehr, aber der Gedanke an die
     Pension, egal ob verdient oder nicht, behagte ihm auch nicht sonderlich.
     Mit wem hätte er denn den Lebensabend genießen sollen? Seit
     Jahren war er notorischer Einzelgänger und hatte längst
     aufgegeben, sich eine Partnerin zu suchen. So hatte er das gemacht, was
     ihm einfacher erschien: Norbert Ulbricht hatte sich in den Job gestürzt
     und war voll darin aufgegangen. Doch das
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