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Toedliche Spiele

Toedliche Spiele

Titel: Toedliche Spiele
Autoren: Suzanne Collins
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Sterbenden ausharren lässt. Wie oft habe ich sie gesehen, rings um unseren Küchentisch, und gedacht:
Warum gehen sie nicht weg? Warum wollen sie unbedingt bleiben und zuschauen?
    Jetzt weiß ich, warum. Weil sie nicht anders können.
    Ich schrecke zusammen, als ich merke, dass jemand mich aus nächster Nähe anstarrt, aber dann begreife ich, dass es mein eigenes Gesicht ist, das sich in der Scheibe spiegelt. Wilde Augen, eingefallene Wangen, mein Haar eine verfilzte Matte. Tollwütig. Verwildert. Irr. Kein Wunder, dass alle auf Abstand gehen.
    Als Nächstes merke ich, dass wir auf dem Dach des Trainingscenters landen. Peeta wird fortgebracht, während ich weiter hinter der Tür bleibe. Mit einem gellenden Schrei werfe ich mich gegen die Glasscheibe und sehe flüchtig rosa Haare - das muss Effie sein, ja, Effie, die kommt, um mich zu retten -, als von hinten eine Nadel in mich einsticht.
    Als ich aufwache, habe ich zuerst Angst, mich zu bewegen. Die Zimmerdecke schimmert in weichem, gelbem Licht und ich sehe, dass ich in einem Raum liege, in dem nur mein Bett steht. Keine Türen, keine Fenster sind zu sehen. Die Luft riecht irgendwie scharf und antiseptisch. In meinem rechten Arm stecken mehrere Schläuche, die zu der Wand hinter mir führen.
    Ich bin nackt, aber die Bettwäsche fühlt sich wohlig auf der Haut an. Probehalber hebe ich den linken Arm über die Bettdecke. Er ist nicht nur vollkommen sauber, auch die Nägel sind zu perfekten Ovalen gefeilt worden, die Brandnarben sind nicht mehr so auffällig. Ich betaste meine Wange, meine Lippen, die runzlige Narbe über der Augenbraue und fahre mit den Fingern durch mein seidiges Haar, als ich erstarre. Ängstlich wühle ich im Haar über meinem linken Ohr. Nein, ich habe mich nicht getäuscht. Ich kann wieder hören.
    Ich versuche mich aufzusetzen, aber ein breites Rückhalteband um die Taille lässt mir nur ein paar Zentimeter Bewegungsfreiheit. Panik steigt auf, ich versuche mich hochzuziehen und mich mit der Hüfte durch das Band zu winden. Da wird ein Teil der Wand beiseitegeschoben und das rothaarige Avoxmädchen kommt mit einem Tablett herein. Ihr Anblick beruhigt mich so sehr, dass ich meine Fluchtversuche einstelle. Am liebsten würde ich ihr tausend Fragen stellen, aber ich befürchte, dass ihr schon die kleinste Vertraulichkeit schaden könnte. Offenbar werde ich ja genauestens überwacht. Sie setzt das Tablett über meinen Oberschenkeln ab und drückt einen Knopf, woraufhin ich in eine sitzende Position gehoben werde. Während sie meine Kissen zurechtrückt, riskiere ich eine Frage. Ich spreche sie laut aus, so deutlich es meine eingerostete Stimme erlaubt, damit es nicht geheimniskrämerisch wirkt. »Hat Peeta überlebt?« Sie nickt, und als sie mir den Löffel reicht, drückt sie mir freundschaftlich die Hand.
    Dann wollte sie mich wohl doch nicht tot sehen. Und Peeta hat überlebt. Natürlich. Bei der erstklassigen Ausstattung hier. Trotzdem war ich mir bis jetzt nicht sicher.
    Geräuschlos schließt sich die Tür hinter dem Avoxmädchen und ich wende mich hungrig dem Tablett zu. Eine Schale klare Brühe, eine kleine Portion Apfelmus und ein Glas Wasser. Das soll alles sein?, denke ich mürrisch. Müsste meine Heimkehrermahlzeit nicht ein wenig spektakulärer ausfallen? Dann aber habe ich schon Mühe, diese karge Mahlzeit aufzuessen. Anscheinend ist mein Magen auf die Größe einer Kastanie zusammengeschrumpft und ich frage mich, wie lange ich eigentlich bewusstlos war, denn am letzten Morgen in der Arena habe ich doch noch mühelos ein ansehnliches Frühstück vertilgt. Gewöhnlich gibt es zwischen dem Ende des Wettkampfs und der Präsentation des Siegers eine mehrtägige Pause, damit das ausgehungerte, verletzte Wrack, zu dem der Mensch geworden ist, wieder zusammengeflickt werden kann. Irgendwo arbeiten Cinna und Portia schon an der Garderobe für unsere Auftritte. Haymitch und Effie arrangieren das Bankett für unsere Sponsoren und besprechen die Fragen für unsere abschließenden Interviews. Zu Hause in Distrikt 12 dürfte ein Chaos ausgebrochen sein, schließlich ist die Willkommensparty, die sie dort für Peeta und mich bestimmt schon organisieren, die erste seit fast dreißig Jahren.
    Zu Hause! Prim und meine Mutter! Gale! Sogar bei dem Gedanken an Prims verlotterte alte Katze muss ich lächeln. Bald bin ich zu Hause!
    Ich möchte aus diesem Bett raus. Möchte Peeta und Cinna sehen und mehr darüber erfahren, was passiert ist. Warum auch
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