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Toedliche Spiele

Toedliche Spiele

Titel: Toedliche Spiele
Autoren: Suzanne Collins
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lässt er los. Ich öffne den Beutel und schütte ihm ein paar Beeren in die Hand. Dann nehme ich mir selbst. »Auf drei?«
    Peeta beugt sich zu mir und küsst mich einmal, ganz sanft. »Auf drei«, sagt er. Rücken an Rücken stehen wir da, die leeren Hände ineinander verschränkt.
    »Halt sie ihnen hin. Alle sollen sie sehen«, sage ich.
    Ich strecke die Hand aus, die dunklen Beeren glänzen im Sonnenlicht. Ich drücke Peetas Hand ein letztes Mal, zum Zeichen, zum Abschied, dann beginnen wir zu zählen. »Eins.« Vielleicht irre ich mich. »Zwei.« Vielleicht ist es ihnen egal, wenn wir beide sterben. »Drei!« Es ist zu spät, um mich eines anderen zu besinnen. Ich führe die Hand zum Mund und werfe einen letzten Blick auf die Welt. Die Beeren sind schon zwischen meinen Lippen, als wir die Fanfaren schmettern hören.
    Die hektische Stimme von Claudius Templesmith übertönt sie: »Stopp! Stopp! Meine Damen und Herren, es ist mir eine Freude, Ihnen die Sieger der vierundsiebzigsten Hungerspiele präsentieren zu dürfen, Katniss Everdeen und Peeta Mellark! Hier sind sie ... die Tribute aus Distrikt 12!«
     

26
     
    Ich spucke die Beeren aus und wische mit dem Jackenzipfel meine Zunge ab, damit nur ja kein Saft zurückbleibt. Peeta zieht mich zum See, wo wir uns den Mund ausspülen und dann einander in die Arme fallen. »Hast du welche geschluckt?«, frage ich ihn. Er schüttelt den Kopf. »Du?«
    »Schätze, dann war ich jetzt tot«, sage ich. An seinen Lippen sehe ich, dass er etwas erwidert, aber ich kann ihn nicht verstehen, weil die Lautsprecher live den Jubel der Menge im Kapitol übertragen.
    Das Hovercraft erscheint über unseren Köpfen und zwei Leitern fahren herunter. Ich lasse Peeta nicht los. Mit einem Arm stütze ich ihn und jeder setzt einen Fuß auf die erste Sprosse der Leiter. Der elektrische Strom hält uns gefangen und diesmal bin ich froh darum, weil ich nicht weiß, ob Peeta durchhält. Da mein Blick nach unten gerichtet ist, kann ich zusehen, wie das Blut ungehindert aus Peetas Bein fließt, während unsere Muskeln unbeweglich sind. Und wie zu erwarten: Kaum dass die Tür hinter uns zugeht und der Strom abgeschaltet wird, bricht Peeta bewusstlos auf dem Boden zusammen.
    Meine Finger halten seine Jacke noch immer so fest, dass ich ein faustgroßes Stück schwarzen Stoff herausreiße, als sie ihn fortbringen. Ärzte in sterilem Weiß mit Mundschutz und Handschuhen stehen schon zur Operation bereit und machen sich ans Werk. Blass und still liegt Peeta auf dem silbernen Operationstisch, Schläuche und Kabel hängen kreuz und quer aus ihm heraus und einen Augenblick lang vergesse ich, dass die Spiele zu Ende sind, und sehe die Ärzte als neue Bedrohung, als Meute von Mutationen, die extra dafür entwickelt wurden, ihn zu töten. Entsetzt stürze ich auf ihn zu, aber jemand fängt mich ein und bugsiert mich in einen anderen Raum, eine Glastür schiebt sich zwischen uns. Ich trommele gegen die Scheibe und schreie mir die Lunge aus dem Hals. Niemand beachtet mich, nur ein Diener des Kapitols erscheint in meinem Rücken und reicht mir etwas zu trinken.
    Ich sinke zu Boden, mit dem Gesicht zur Tür, und starre verständnislos auf das Kristallglas in meiner Hand. Eiskalter Orangensaft, ein Strohhalm mit weißem Rüschenkragen. Wie unpassend das aussieht in meiner blutigen, dreckigen Hand mit den Schmutzrändern unter den Nägeln und den Narben. Der Duft lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen, aber trotzdem stelle ich das Glas vorsichtig auf den Boden - etwas so Sauberes, Hübsches macht mich misstrauisch.
    Durch die Scheibe sehe ich, wie die Ärzte mit konzentriert zusammengezogenen Brauen fieberhaft an Peeta arbeiten. Ich sehe die Flüssigkeiten, die durch die Schläuche gepumpt werden, betrachte eine Wand mit Anzeigen und Lämpchen, die mir nichts sagen. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, sein Herz setzt zweimal aus.
    Es ist, als wäre ich wieder zu Hause, wenn nach einer Explosion in den Minen ein hoffnungslos zerfetzter Mensch hereingebracht wird, oder die Frau am dritten Tag der Wehen oder das hungernde Kind, das mit einer Lungenentzündung kämpft. Dann haben meine Mutter und Prim auch diesen Gesichtsausdruck. Jetzt ist es Zeit, in den Wald zu rennen, mich zwischen den Bäumen zu verstecken, bis der Patient gestorben ist und in einem anderen Teil des Saums ein Sarg zusammengezimmert wird. Aber hier halten mich die Wände des Hovercrafts und jene Kraft, die Angehörige bei einem
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