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Tödliche Pralinen

Tödliche Pralinen

Titel: Tödliche Pralinen
Autoren: Léo Malet
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Also los,
die erste Frage: Ist Monsieur Besse herzkrank?“
    „Ja.“
    „Das wär’s erst mal für den Augenblick. Ich
fahre fort.“ Ich ging zu der Treppe, die nach oben führte, und setzte mich auf
eine der Stufen. Im Salon war es mucksmäuschenstill. Ein leichtes Zittern
durchlief meinen Körper. Im Nebenhaus klimperte immer noch jemand auf dem
Klavier.
    „Dr. Blouvette-Targuy hätte Ihnen weiterhin
verraten, mein lieber Galzat, daß er sich bei Catherine für seine
Verdächtigungen entschuldigen und ihr sagen wollte, wie glücklich er und seine
Frau seien, daß ausländische Händler ihre Waren vergifteten. Nicht daß Monsieur
oder Madame Blouvette-Targuy Monster wären — um Ihren Lieblingsausdruck zu
gebrauchen! — und sich über die Todesfälle freuten! Aber erleichtert waren sie
doch, daß Catherine mit ihrer Vermutung, der Kuchen sei durch Ausländer nach
einem diabolischen, nihilistischen oder anarchistischen Plan vergiftet worden,
recht behalten hatte. Sind Sie hergekommen, um sich für Ihre ungerechtfertigten
Verdächtigungen zu entschuldigen, Doktor?“
    „Ja“, bestätigte Blouvette-Targuy mit tonloser
Stimme.
    „Sie müssen wissen, Galzat, ich habe wie Sie den
Doktor verdächtigt. Die menschenverachtenden Ideen aus seiner Jugend sprachen
wirklich nicht für ihn. Aber dann wurden Sie, Galzat, von Paoli entführt.
Blouvette hätte genug Zeit gehabt, Sie um die Ecke zu bringen. Im Hospital
hatte ich ihm nämlich verraten, daß Sie hinter dem Giftmörder her waren! Und so
kam ich ins Grübeln. Die Frauen lieben den Doktor heiß und innig — selbst wir
von Fiat Lux mußten uns mit den Folgen rumschlagen. Woraus setzt sich
die Kundschaft von Gutt und Lambert hauptsächlich zusammen? Aus Frauen! Wie
viele Opfer sind bisher zu beklagen? Drei! Gemessen an der Zielsetzung der
menschenfeindlichen Broschüre, ist das eine eher klägliche Zahl. All das führte
mich zu folgender Hypothese: Catherine, impulsiv und leicht zu entflammen, wie
sie nun mal ist, verliebt sich in ihren Schwager. Sie gesteht ihm ihre Liebe.
Er weist sie ab. Ich persönlich frage mich: Warum? Catherine ist doch sehr
verführerisch... Tatsache jedenfalls ist, daß er nichts von ihr wissen will.“
    „Genauso war’s!“ ereiferte sich
Blouvette-Targuy. „Sie glaubte natürlich, daß meine Frau mich davon abhielt,
mich ihr zuzuwenden. Also versuchte sie, ihre Schwester zu vergiften.“
    „Was mißlang.“
    „Ja. Der Kuchen schmeckte so scheußlich, daß
meine Frau nach dem ersten Bissen sofort alles ausspuckte, was sie im Mund
hatte. Fast alles. Denn von dem bißchen, das sie bereits geschluckt hatte,
wurde sie krank. Ich beschuldigte Catherine, doch sie schwörte bei allen
Heiligen, daß sie unschuldig sei, daß wahrscheinlich Mitglieder der Schwarzen
Hand oder einer anderen Verbrecherbande den Kuchen vergiftet hätten. Sie
machte sich Vorwürfe, sagte, sie hätte vorsichtiger sein müssen, da sie von
ähnlichen Fällen aus der Presse erfahren habe. Schimpfte auf die unfähige
Polizei, die nichts dagegen tue...“
    „Womit sie gar nicht so unrecht hatte“, warf ich
ein.
    „Ich glaubte ihr kein Wort und wies ihr die Tür.“
    „Tief gekränkt“, fuhr ich fort, „nahm sie sich
vor, sich ein Alibi zu verschaffen. Eins, das sicherlich in den Annalen der
Kripo einmalig sein dürfte! Teuflisch, bestialisch. Eins, das nur dem kranken
Hirn eines Verrückten entspringen kann, obwohl es von maßloser, logischer
Intelligenz zeugt. Ihr kam folgende Idee: Sie wollte ihre These von dem
geheimnisvollen Morden in Paris untermauern. Das würde sie von dem sie
kränkenden Verdacht reinwaschen. Sie bringt vergiftete Schokolade in Umlauf —
das System ist uns inzwischen bekannt. Möglichst viele Menschen sollen daran
sterben. Dann kann sie zu ihrer großen Liebe gehen und sagen: ,Siehst du, daß
ich recht hatte?’ Und vielleicht, wer weiß, kann sie ihn dann doch noch
erobern. Das perfekte Alibi! Sie wartet die Resultate ihres teuflischen
Manövers ab. Sie muß lange warten. Entgegen ihrer Erwartungen gelangen die von
ihr vergifteten Süßigkeiten nicht sofort in den Verkauf. Dann — endlich! —
stirbt Jean Tanneur. Catherine hört von dem Tod des Jungen. Sie fährt nach
Saint-Ouen, aber Blouvette will immer noch nichts von ihr wissen. Bevor er sie
wieder rausschmeißt, jammert sie: ‚Das ist bestialisch!’ Das Wort begegnet uns
reichlich oft, finden Sie nicht? Sie meint zwar das Verhalten ihres Schwagers,
aber nicht in dem Sinn, den
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