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Toedliche Luegen

Toedliche Luegen

Titel: Toedliche Luegen
Autoren: Hansi Hartwig
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Sie mir zu.“ Die Polizeipsychologin trippelte hinter dem jungen Mann her und hielt ihn schließlich energisch am Jackenärmel zurück.
    Er starrte sie so verwundert an, wie es seit Anbeginn der Zeit zwischen Männern und Frauen üblich war , als er mit einer Spur Ungeduld in der Stimme fragte: „Was ist?“
    Ohne ihre Antwort abzuwarten , schoss er wie von der Tarantel gestochen vom Arbeitszimmer in die Küche, von dort zum Esszimmer und wieder zurück zu Isabelle, die wie angewurzelt im Entrée stand. Er war viel zu sehr in seinem Freudentaumel gefangen, als dass er sich länger als höchstens einen Augenblick gewundert hätte, wieso Isabelle seine Ungeduld nicht teilen wollte. Er nahm sich nicht die Zeit, über ihre Teilnahmslosigkeit nachzudenken.
    „Alain, es ist wegen Beate.“
    „Jaja, schon gut, ich hole sie.“ Damit wandte er sich zu der breiten Marmortreppe um, die in das zweite Stockwerk führte.
    „Hören Sie mir endlich zu!“ Lediglich für einen kurzen Moment erhob Madame Didier die Stimme, allerdings genügte dies, damit Alain Germeaux innehielt und sich verblüfft umsah, während er atemlos die Arme ausbreitete und die Schultern hob.
    „Was … ist?“
    „Es ist zu spät. Sie kommen zu spät, Alain.“
    „Zu spät?“, wiederholte er langsam und mit einem dümmlichen Ausdruck auf dem ansonsten unbestritten ausdrucksvollen Gesicht.
    „Beate ist abgereist.“
    „Abgereist?“ Ungläubig schüttelte der junge Hausherr den Kopf, sodass ihm die blauschwarzen Haare ins Gesicht flogen. Er hob den linken Zeigefinger und lachte unsicher. „Nein. Nein-nein, das glaube ich nicht. Das soll ein Scherz sein, nicht wahr? Generalprobe für den ersten April? Sagen Sie schon, wo steckt meine Süße?“
    Er eilte zum Treppenabsatz und rief eine Nuance lauter als zuvor nach Beate. Reglos, mit angespanntem Gesicht horchte er auf eine Reaktion aus dem oberen Stockwerk, wo sich die Zimmer der jungen Deutschen befanden. Im Zeitlupentempo drehte er sich zu Isabelle Didier um und erkannte ganz deutlich den Schmerz in ihren Augen. In dieser Sekunde wurde ihm klar, dass sie es ernst gemeint hatte.
    Beate war abgereist.
    Die Wahrheit traf ihn völlig unvorbereitet – wie ein Schlag ins Genick, der einen für den Bruchteil einer Sekunde betäubte, ehe man das Bewusstsein verlor. Sein Körper versteifte sich. Angst drückte ihm die Kehle zu. Er konnte sie nicht sehen, aber wie jede Nacht in seinen Träumen hörte er jetzt wieder die höhnende Stimme seiner Dämonen: Du wirst sie nicht bekommen. Sie gehört mir. Mir!
    Seine Hände schossen an den Kopf. Doch das Geschrei wurde immer lauter. Immer schriller klang ihr Lachen.
    Nie! Du nicht!
    Er hielt sich die Ohren zu und keuchte auf: „Nein, verschwindet! Lasst mich in Ruhe! Nicht … nicht heute. Oh bitte nicht!“
    Ein schwarzes Tuch legte sich über seine Augen. Er schrie wie von Sinnen, bis er vor Erschöpfung zitternd auf die Knie fiel. Das Gesicht in den Händen vergraben, wiegte er sich wie ein verängstigtes Kind hin und her. Er kämpfte gegen die Leere an, die ihn verschlingen würde, sobald er aufgab. Erst als sich die Finger der Psychologin sanft auf seine Schulter legten, gelang es ihm, die grausigen Bilder abzuschütteln, die sich vor seinem inneren Auge gesammelt hatten.
    Beate.
    Es war völlig unmöglich! Nicht heute! Ausgeschlossen, dass sie ausgerechnet heute …
    „Abgereist? Wo -wohin?“
    Beim zweiten Versuch kam er endlich taumelnd auf die Füße und wank te auf Isabelle Didier zu. Sein Gesichtsausdruck war mit einem Mal mörderisch und seine Stimme klang drohend, als er fortfuhr: „Ist irgendetwas passiert? Mit ihrer Familie? Oder hat Beates Freundin aus Deutschland angerufen? Ist sie bei Suse?“
    Alain bemerkte, wie die Frau vergeblich mit den Tränen kämpfte. Was zur Hölle hatte das alles zu bedeuten? Zu seiner Wut nistete sich schleichend Panik in seinem Herz ein.
    „Warum?“, brüllte er und seine gerade mühsam zurückgewonnene Beherrschung brach zusammen. Alains Wangenmuskeln zuckten, so fest biss er die Zähne aufeinander, während er auf Antwort wartete.
    „Es ging alles so schnell.“
    „Warum, verdammt noch mal?“
    „Ich weiß es nicht.“
    „Was soll das heißen: Sie wissen es nicht? Sie waren die ganze Zeit im Haus. Was haben Sie sich dabei gedacht, Beate gehen zu lassen? Wohin ist sie? Was hat sie Ihnen gesagt?“
    „Sie möchte, dass Sie nicht nach ihr suchen“, flüsterte die Frau mit erstickter Stimme. „Ich soll
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