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Tödliche Gier

Tödliche Gier

Titel: Tödliche Gier
Autoren: Sue Grafton
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benutzt sie die eine Kreditkarte, um die Schulden auf der anderen zu bezahlen. Wie sagten Sie noch mal, war Ihr Name?«
    »Tut nichts zur Sache«, sagte ich und legte auf.
    Ich zog ein von einem Gummiring zusammengehaltenes Päckchen Karteikarten heraus. Diesmal fügte ich nichts hinzu. Ich schaute die Karten nur durch und studierte die Informationen, die ich in der letzten Woche gesammelt hatte, vor allem die Angaben über Dows letzten Tag. Ganz nebenbei hatte Mrs. Stegler eine Kleinigkeit verlauten lassen, die angesichts von allem anderen, was ich seither erfahren hatte, meine Aufmerksamkeit erregte. Sie hatte gesagt, dass Fiona vorbeigekommen sei, als Dow beim Mittagessen gewesen war. Sie hatte in seinem Büro gewartet und war schließlich wieder gegangen, hatte ihm aber eine Nachricht hinterlassen. Ich war selbst schon in diesem Büro gewesen und wusste, wie leicht sie die Schreibtischschublade auf-ziehen und seine Pistole hätte entwenden können.

    Als ich in der zunehmenden Dämmerung die Old Reservoir Road hinauffuhr, merkte ich, dass ich mich in einem Zustand latenter Anspannung befand. Das einzige äußere Anzeichen meiner Unruhe war, dass ich für den derzeitigen Straßenzustand — nämlich nass, nass und nochmals nass — ein bisschen zu schnell in die Kurven ging. Ich hatte eine Idee, eine Eingebung, die ich überprüfen musste, bevor ich Jonah Robb anrief. Ich bog links in die Straße ein, die neben Fionas Anwesen verlief, und fuhr auf den Parkplatz hinter ihrem Haus.
    Ich ging ums Haus herum zur Vorderseite und klingelte. Sie ließ sich reichlich Zeit, bis sie an die Tür kam. Ich starrte auf den Brunswick Lake hinaus. In dem nachlassenden Licht wirkte die Wasserfläche wie Quecksilber. Elf Tage war es her, seit ich zum ersten Mal an diesem Fleck gestanden und den gleichen weiten Ausblick betrachtet hatte. Das steil ansteigende Grundstück war nun ein Märchenland aus kniehohem Unkraut: Fuchsschwanzgras, wilder Hafer und Roggen wogten im darüber wehenden Wind. Wenn noch mehr Regen fiel, würde der bereits aufgeweichte Abhang auf die Straße hinabrutschen.
    Hinter mir ging die Tür auf. Sogar wenn sie auf ihre Enkel aufpasste, steckte Fiona noch in einem schwarzen Wollkostüm mit dicken Schulterpolstern und schmaler Wespentaille. Revers und Manschetten waren mit falschem Leopardenfell abgesetzt. Die Haare verbarg sie unter einem dazu passenden Turban mit Leopardenmuster. Gloria Swanson hätte ihr nicht das Wasser reichen können. Ich hielt ihr den Umschlag hin. »Ich habe für Ihre Unterlagen eine Rechnung beigefügt. Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, mir den Erhalt des Bargelds zu quittieren.«
    »Natürlich nicht. Kommen Sie doch rein.«
    Ich trat in die Diele. Im Flur stand ein Dreirad, und der Boden war mit dem gleichen Kinderkram übersät, den ich bei Blanche im Haus gesehen hatte: Tinkertoys, Bauklötze, ein Söckchen, zerbrochene Kekse, Buntstifte. Die Kinder hatten aus den Schutzbehängen des Malers ein riesiges Zelt gebaut, indem sie sie über sämtliche Wohnzimmerstühle gebreitet hatten. Ich konnte sehen und hören, wie sie darunter herumtollten und immer wieder dieses schrille, künstliche Kichern anstimmten, das als Vorspiel zu fürchterlichem Stunk erklingt.
    Fiona kritzelte ihre Unterschrift auf die Quittung. Ihre Fingernägel waren dunkelrot. Dazu trug sie Lippenstift im gleichen Ton. Ein Lippenstiftfleck saß auf ihren oberen Schneidezähnen. Es wirkte seltsam, wie ein heftiger Anfall von Zahnfleischbluten. Ich riss den Durchschlag heraus und reichte ihn ihr.
    »Wie geht’s Blanche?«
    »Gut. Wenigstens hatte sie heute Nachmittag Ruhe und Frieden. Andrew holt die Kinder nach dem Abendessen ab — vorausgesetzt wir leben so lange.«
    »Darf ich mal die Toilette benutzen?«
    »Es ist eine gleich neben der Küche. Sie wissen ja den Weg.«
    »Bin gleich wieder da.«
    Fiona kehrte ins Wohnzimmer zurück, und ich hörte, wie sie Anordnungen zum Aufräumen erteilte. Die Kinder schienen sogar geneigt, mitzumachen.
    Ich ging durch die Küche und schloss die Tür auf, die in die für drei Autos gebaute Garage führte. Draußen war es dunkel, und der weite Raum war düster. Auf dem nächstgelegenen Platz parkte ein BMW, doch die anderen beiden waren leer. Sie hatte mir gesagt, dass sie Dow bei seinen Besuchen immer gebeten hatte, in die Garage zu fahren, damit die Nachbarn nicht tratschten. Ich schaltete das Deckenlicht ein, aber das brachte auch nicht viel.
    Ich nahm die Taschenlampe aus
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