Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödliche Gier

Tödliche Gier

Titel: Tödliche Gier
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
meiner Umhängetasche und ging zur Wand gegenüber. Ich stellte mir vor, ich säße in Dows silbernem Mercedes. Dann blickte ich nach rechts und taxierte die Bahn einer Kugel, die vom Beifahrersitz aus abgefeuert wurde und sich durch den Kopf des Fahrers, durchs Autofenster und in die Wand bohrte. Ungefähr hier, mutmaßte ich. Ich hätte darauf gewettet, dass sie sich nicht die Mühe gemacht hatte, die Kugel aus der Wand zu holen. Sie hatte genug weiße Farbe zur Hand gehabt, um sämtliche Beweise für das, was sie getan hatte, zu übertünchen. Wer käme schon auf die Idee, überhaupt hier nachzusehen? Die Cops mit ihren Metalldetektoren suchten ja nur den Hügel bis zur Straße ab.
    Im Schein der unzulänglichen Deckenbirne wirkte die Wand glatt. Ich fuhr mit der Hand leicht über den Anstrich und erwartete dabei, das leicht unregelmäßige Muster einer Gipsfüllung zu ertasten. Die Wand war unbeschädigt. Nirgends eine Unebenheit. Ich leuchtete im schiefen Winkel darauf, da ich hoffte, dass sich dadurch eine raue Stelle in der Oberfläche abheben würde, doch es fand sich keinerlei Hinweis darauf, dass Dow hier erschossen worden war, bevor der Wagen weggefahren wurde. Keine Glassplitter, keine Ölflecken auf dem Fußboden, wo sein Auto geparkt hatte. Verblüfft stand ich da. Am liebsten hätte ich vor Enttäuschung laut geheult. Es musste doch stimmen. Ich war mir so sicher gewesen.
    Die Tür zur Küche ging auf, und Fiona erschien. Sie stand da und starrte mich an. »Ich habe mich schon gefragt, wo Sie geblieben sind.«
    Ich erwiderte ihren Blick. Mein Mund war auf einmal trocken, und ich suchte verzweifelt nach einer Erklärung, die mein Benehmen rechtfertigen würde.
    »Detective Paglia war vorhin schon da und hat genau das Gleiche getan. Er hat die Wände nach einer stecken gebliebenen Kugel abgesucht und keine gefunden.«
    »Fiona, es tut mir Leid.«
    »Das kann ich mir denken.« Sie schwieg einen Moment. »Nur eine Frage: Wenn ich Dowan tatsächlich umgebracht hätte, warum in aller Welt hätte ich Sie dann engagieren sollen?«
    Ich spürte, wie meine Wangen heiß wurden, aber ich wusste, dass ich ihr die Wahrheit schuldig war. »Ich dachte, für Sie sei es dringend notwendig, dass die Leiche gefunden wird, damit Sie die Versicherungssumme kassieren können. Dadurch, dass Sie mich engagiert haben, wirken Sie über alle Zweifel erhaben.«
    Ihr Blick war vernichtend, doch sie hob nicht einmal die Stimme. »Sie sind eine sehr arrogante junge Frau. Und jetzt verlassen Sie mein Haus.«
    Sie verschwand und zog mit lautem Knall die Tür hinter sich zu.
    Ich ging hinaus, stieg in mein Auto und fuhr den Hügel hinab, während mir vor Scham und Verlegenheit ganz schwindlig war. Was hatte ich schon für eine Entschuldigung? Ich hatte mich in ihr getäuscht. Ich hatte mich in Crystal und Clint Augustine getäuscht. Und ich hatte mich in Mariah getäuscht, die mich zum Narren gehalten hatte. An der Kreuzung bog ich links ab. Ich war gerade einen Block weit gekommen, als ich eine vertraute Gestalt mit ausgestrecktem Daumen rückwärts die Straße entlanggehen sah. Paulie in Jeans, Wanderstiefeln und derselben schwarzen Lederjacke, in der ich sie zuvor schon gesehen hatte. Es war übrigens Leder von guter Qualität, und ich fragte mich, ob sie und Leila die Jacke mit einem Teil der gestohlenen Dreißigtausend bezahlt hatten.
    Ich bremste ab und hielt am Straßenrand, während sie eilig herbeigelaufen kam. Als sie am Wagen anlangte, stieß ich ihr die Beifahrertür auf. »Steig ein. Willst du zu Leila?«
    »Ja. Sie ist im Strandhaus.« Sie stieg ein und schlug die Tür zu. Sie roch nach Marihuana und Zigaretten. Ihre Haare waren braun und hätten glänzen können, wenn sie sie öfter gewaschen hätte. Zwischen den einzelnen Strähnen glitzerten Regentropfen wie Pailletten. Sie sah unkonventionell aus, und ihre großen, dunkelbraunen Augen hatten etwas Faszinierendes. »Sie können mich in der Stadt absetzen. Von dort aus ist es kein Problem, jemanden zu finden, der mich mitnimmt.«
    »Ich kann dich hinfahren. Etwas Luftveränderung tut mir gut«, sagte ich. Ich wartete auf eine Lücke im Verkehr und fuhr wieder auf die Straße. »Du kannst von Glück sagen, dass ich vorbeigekommen bin. Ich bin nur selten in dieser Gegend. Warst du bei Lloyd?«
    »Ja, aber er war weg, und ich konnte den Schlüssel nicht finden. Ich wollte nicht in der Kälte auf ihn warten. Haben Sie nicht auch die Schnauze voll von diesem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher