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Tödliche Gier

Tödliche Gier

Titel: Tödliche Gier
Autoren: Sue Grafton
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gelegenen Ort. Ich bin sechsunddreißig Jahre alt, zweimal geschieden, kinderlos und auch sonst ohne Anhang. Abgesehen von meinem Auto besitze ich nicht viel. Mein Büro, Millhone Investigations, besteht aus mir allein. Mit Anfang zwanzig war ich zwei Jahre lang Polizistin gewesen, und aufgrund persönlicher Schwierigkeiten, die jetzt zu mühsam zu erklären wären, wurde mir klar, dass der Polizeidienst nichts für mich war. Ich war viel zu aufsässig und stur, um mich den Dienstvorschriften mit all ihren moralischen Bestimmungen zu unterwerfen, und muss zugeben, dass ich die Regeln sehr locker ausgelegt habe. Davon abgesehen wirkte in der Uniform mit dem Gürtel mein Hintern zu breit.
    Nachdem ich den einträglichen Posten bei der Stadt aufgegeben hatte, ging ich in einem Büro, das zwei Privatdetektive betrieben, in die Lehre und leistete dort die erforderliche Stundenzahl ab, um meine Zulassung beantragen zu können. Mittlerweile arbeite ich seit gut zehn Jahren allein und bin zugelassen, vereidigt und hoch versichert. Einen großen Teil des vergangenen Jahrzehnts habe ich damit verbracht, Forderungen wegen Brandstiftung und fahrlässiger Tötung gegen die California Fidelity Insurance zu bearbeiten, zuerst als reguläre Angestellte, dann als freie Mitarbeiterin. Vor drei Jahren, im Oktober 1983, trennten sich unsere Wege, und ich mietete Räume bei der Anwaltskanzlei Kingman und Ives — eine Regelung, die sich nun dem Ende zuzuneigen schien.
    Schon ein Jahr lang klagte Lonnie Kingman über Platzmangel. Er hatte bereits einmal erweitert und den gesamten zweiten Stock eines Gebäudes übernommen, das ihm komplett gehörte. Nun hatte er ein zweites Haus gekauft, das in der unteren State Street lag und in das er umziehen wollte, sobald der Kaufvertrag unter Dach und Fach war. Er hatte einen Nachmieter für unsere derzeitigen Räume gefunden, und nun stellte sich nur noch die Frage, ob ich mit ihm umziehen oder mir ein eigenes Büro suchen würde. Ich bin von Natur aus Einzelgängerin, und obwohl ich Lon-nie mag, ging es mir langsam auf die Nerven, in nächster Nähe zu anderen Leuten zu arbeiten. Ich ertappte mich dabei, wie ich abends und an den Wochenenden ins Büro ging und halbe Tage zu Hause arbeitete — alles nur, um ein Gefühl von Raum und Ungestörtheit zu erzeugen. Ich hatte mit einem Immobilienmakler über monatsweise mietbare Räume gesprochen und auf mehrere Kleinanzeigen geschrieben, aber bis jetzt noch nichts gesehen, das mir zugesagt hätte. Meine Ansprüche waren bescheiden: Platz für meinen Schreibtisch, einen Drehstuhl, einige Aktenschränke und ein paar künstliche Pflanzen. Zusätzlich wünschte ich mir eine kleine, aber geschmackvolle Cheftoilette. Das Problem war nur, dass alles, was mir gefiel, entweder zu groß oder zu teuer war, und alles, was meinem Budget entsprach, zu beengt, zu schäbig oder zu weit von der Innenstadt entfernt war. Ich habe häufig im Einwohneramt zu tun und lege Wert darauf, Gerichtsgebäude, Polizeirevier und Stadtbibliothek zu Fuß erreichen zu können. Überdies war Lonnies Kanzlei ein regelrechtes Refugium, und er tritt auch als mein Anwalt auf, wenn es hart auf hart kommt, was häufig der Fall ist.
    Sobald ich den Block mit den Zweihunderter-Nummern östlich vom Capillo erreicht hatte, in dem Lonnies Kanzlei lag, begann ich mit der gewohnten Such- und Schnappaktion auf der Jagd nach einem Parkplatz. Ein Nachteil des derzeitigen Gebäudes war der winzige dazugehörige Parkplatz, auf den nur zwölf Autos passten. Lonnie und sein Partner hatten jeder einen Platz, genau wie die beiden Sekretärinnen Ida Ruth Kenner und Jill Stahl. Die restlichen acht Stellflächen verteilten sich auf die sonstigen Mieter des Fiauses, und so war ich gezwungen, mir woanders eine Parklücke zu suchen. Heute zwängte ich mich in ein Fleckchen am Randstein, das zwischen zwei Geschäftseinfahrten lag. Ich hätte schwören können, dass es ein fast legaler Parkplatz war, und merkte erst zu spät, dass ich doch einen Strafzettel bekommen hatte.
    Ich ging die fünf Blocks zum Büro zu Fuß, stieg die zwei Treppen hinauf und betrat die Kanzlei durch eine unbeschriftete Seitentür. Dann marschierte ich den Flur entlang bis zu meinem Zimmer, schloss auf und ging hinein, wobei ich darauf achtete, Ida Ruth und Jill nicht auf mich aufmerksam zu machen, die ein Stückchen weiter weg ins Gespräch vertieft waren. Mir war klar, dass ihr Thema dasselbe sein würde, das sie seit zwei Monaten unentwegt
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