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Tödliche Ewigkeit

Tödliche Ewigkeit

Titel: Tödliche Ewigkeit
Autoren: Denis Marquet
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schien wie erstarrt. Mulligan schob sie zur Seite und entriss sie ihm mit einer heftigen, präzisen Bewegung. Der Lieutenant hielt das Video an.
    »So weit, Mulligan, ist alles in Ordnung. Sie setzen Ihr Leben und Ihre Karriere aufs Spiel, das ist Ihr Problem. Sie gewinnen, sehr gut. Dieser Idiot Murray kann Ihnen nichts anhaben, solange ich Sie schütze, und das weiß er auch. Aber bitte erklären Sie mir das  …«
    Er schaltete das Band wieder ein. Der Sergeant ging auf den Schützen zu. Mit erschreckender Schnelligkeit und Brutalität schlug er ihn systematisch zusammen. Dann durchsuchte er den reglos daliegenden Mann, zog eine Zigarette aus der Tasche seines Opfers und zündete sie sich in aller Seelenruhe an. Woodruff schaltete das Gerät ab.
    »Sie haben auf ihn eingedroschen, nachdem Sie ihn entwaffnet hatten, und das vor einer laufenden Überwachungskamera!«
    »Den zweiten Punkt bedauere ich.«
    »Das ist alles andere als komisch! Ich habe für heute Nachmittag 15.00 Uhr eine Pressekonferenz bei der Polizeidirektion einberufen. Sie werden mich natürlich begleiten. Stellen Sie sich bitte vor, die Aufzeichnung gerät in die Hände eines Journalisten …«
    »Ein Cop müsste sie ihm zuspielen.«
    »Haben Sie etwa den Eindruck, Sie hätten viele Freunde in dieser Abteilung? Von den Ermittlern, die mit der Untersuchung des Falls beauftragt sind, haben zwei die kleine Szene gesehen. Das heißt, das ganze Revier ist auf dem Laufenden. Ihre Heldentaten zu decken wird mich noch meine Karriere kosten!«
    Mit einem kleinen ironischen Lächeln hielt Jeff Mulligan dem Blick seines Vorgesetzten stand. Ann begriff sofort die Bedeutung: »Immerhin waren meine ›Heldentaten‹, wie Sie es nennen, nicht ganz unbeteiligt an Ihrer Karriere …« Das entging auch Woodruff nicht.
    »Sparen Sie sich Ihre Arroganz! Sie tragen maßgeblich zu unseren hervorragenden Ergebnissen bei, aber da Sie pausenlos die gelbe Markierungslinie überschreiten, könnten Sie uns auch mit in den Abgrund reißen. Also raus mit der Sprache, Mulligan: Welche Notwendigkeit gab es, diesen Typen brutal zusammenzuschlagen?«
    »Keine, Chef. Nur Spaß an der Freude.«
    »Wenn sich diese Sache herumspricht, kann ich Sie nicht mehr schützen. Seit heute gibt es einen weiteren Cop in New York, der Ihren Kopf fordert, und das ist nicht irgendwer. Bald könnten meine Beziehungen zum Präsidium nicht mehr genug Gewicht haben. Sie sind ein Polizist auf Zeit, Mulligan.«
    Der Lieutenant griff nach einer Akte und tat so, als wäre er allein in seinem Büro. Der Sergeant erhob sich und verließ den Raum. Ann folgte ihm.
    Draußen drehte er sich um und legte ihr die Hand auf die Schulter.
    »Danke, dass Sie mich unterstützt haben. Das war sehr mutig.«
    Für den Bruchteil einer Sekunde lag in seinem Blick eine unendliche Sanftheit, die so gar nicht zu seiner sonstigen Art zu passen schien. Und lange noch fragte sich Ann, ob sie nicht geträumt hatte. Ein Schauder überlief sie, und sie suchte nach einer Antwort, brachte aber nur ein schwaches Lächeln zustande. Doch Jeff hatte sich ohnehin schon abgewandt.
    Über einen schlechten Kaffee gebeugt, saß Ann in der Cafeteria des Reviers und zögerte möglichst lange den Augenblick hinaus, sich in ihr home sweet home , wie sie es nannte, zu begeben. Im Übrigen hatte sie vor, so bald wie möglich ihre Mutter einzuladen, nur um des Vergnügens willen, ihren entsetzten Aufschrei beim Anblick der Wohnung zu vernehmen … Seufzend lehnte sie den Kopf an die Wand. Mach dir doch nichts vor, sagte sie sich. Letztlich hatte sie bloß keine Lust, allein zu Hause vor dem Fernseher zu hocken und sich eine Sendung anzusehen, die sie vergessen haben würde, sobald sie im Bett lag. Wie lange hatte sie schon kein Buch mehr aufgeschlagen? Ihr neuer Beruf strapazierte ihre Nerven und raubte ihr jegliche Energie für ihr Privatleben. Sie traf sich mit niemandem mehr. Dabei hätte sie sich so gerne jemandem anvertraut. Nur wem? Sicher nicht ihren guten alten Freundinnen vom schicken Hunter College, die ihre Berufswahl nicht verstanden hatten und auf ihre Mailbox-Nachrichten nur zu antworten wussten, sie seien im Moment unglaublich beschäftigt, »aber in einigen Wochen …« Auch ihren Kollegen konnte sie nicht ihr Herz ausschütten, ihnen gegenüber durfte sie kein Zeichen von Schwäche zeigen. Doch sie würde sich auch keinen Psychiater nehmen … Seit sie bei der Polizei war, fühlte sie sich dünnhäutig. Es war aber auch so
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