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Toedliche Blumen

Toedliche Blumen

Titel: Toedliche Blumen
Autoren: Wahlberg
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vorbereitet, und ausnahmsweise hegte sie einmal keinerlei Zweifel. Sie hatten etliche Indizien zusammengetragen. Die technische Beweisführung war absolut ausreichend, und dennoch war dieses Verhör zumindest als seelische Reinigung für die Person, die ihr gegenübersaß, von großer Wichtigkeit. Louise betrachtete es jedenfalls so, und ihre Erfahrung hatte sie gelehrt, dass es auch genau so funktionierte. Die Menschen fühlten sich nach einem Geständnis, nach der Übernahme der Verantwortung für das, was sie getan hatten, mehrheitlich erleichtert. Doch das sahen natürlich nicht alle so. Jedenfalls nicht alle Täter. Und nicht zuletzt auch nicht alle Rechtsanwälte, doch deren Auftrag war ein anderer. Der Pflichtverteidiger hatte sich ebenfalls vorbereitet. Er besaß eine kühle, intellektuelle Ausstrahlung, ein arrogantes Profil mit einer hohen Stirn, aus der das Haar zurückgekämmt war, und trug eine rahmenlose Brille, die Louise sofort an einen Nazioffizier im Film denken ließ. Klischees. Zu seinem Outfit gehörte ein breiter dunkelblauer Schlips auf einem weißen Oberhemd mit schmalen roten Streifen samt einem dunklen Blazer. Seine frische, leicht rötliche Gesichtsfarbe deutete möglicherweise auf übermäßigen Alkoholkonsum hin, doch sie wusste, dass seine beruflichen Qualitäten sein Aussehen um einiges überragten, jedenfalls was seine Wortgewandtheit anbelangte. Phasenweise konnte er sogar ein gewisses, von Einfühlsamkeit geprägtes Verständnis für Klienten aus der sozialen Unterschicht aufbringen, was darauf schließen ließ, dass er sich nicht nur für seinesgleichen interessierte. Louise stand zwar absolut nicht auf Typen wie ihn, aber das war in diesem Zusammenhang zum Glück auch nicht relevant. Außer dass eine gewisse Übereinstimmung der Chemie die Zusammenarbeit möglicherweise etwas erleichtert hätte. Doch völlig gegensätzlich waren sie nun auch wieder nicht.
    Die Gardinen im Raum waren nicht zugezogen. Gerade hatte sich eine Wolke vor die Sonne geschoben, ansonsten war das Wetter recht passabel. Vielleicht hätte jedoch ein düsterer, bewölkter Himmel besser zur aktuellen Situation gepasst.
    Louise Jasinski wies mit sachlicher Stimme auf die Formalitäten des Verhörs hin und informierte Clary Roos über den technischen Ablauf, schaltete dann das Tonband ein und nannte Datum, Ort und Zeit sowie die Namen der anwesenden Personen.
    »Wir haben genügend Zeit, genau wie beim letzten Mal«, erklärte sie daraufhin und wandte sich an Clary Roos. »Wir müssen uns nicht hetzen. Und Sie sagen bitte Bescheid, wenn Sie etwas benötigen.«
    Clary Roos reagierte nicht. Schaute an ihr vorbei, irgendwo in die Luft. Ihr Haar war frisch gewaschen und zu einem Zopf geflochten, der bis zu ihrem Rücken reichte und flach am Kopf anlag. Ihre zierliche Statur ließ sie jünger aussehen, als sie eigentlich war, was unter anderem mit ihrem mageren, nahezu mädchenhaften Körper zusammenhing.
    »Ich kann keine Nacht richtig schlafen«, brachte sie gepresst hervor. »Ich will hier raus! Die Wände der Zelle erdrücken mich.«
    Louise nickte ihr zu.
    »An welcher Stelle möchten Sie mit Ihrem Bericht beginnen?«
    »Egal. Ich kann mich sowieso kaum daran erinnern, wo wir aufgehört haben.«
    »Sie können anfangen, wo Sie wollen, unabhängig davon, wo wir aufgehört haben.«
    Der Verteidiger verdrehte zum Glück nicht die Augen, was er wahrscheinlich gern getan hätte, und stützte sich stattdessen auf seine Armlehnen.
    »Dieses verdammte Weib hat uns viele Jahre lang terrorisiert«, begann Clary Roos vorsichtig, doch man merkte, dass sowohl die Intensität ihrer Stimme als auch ihr Redetempo noch steigerungsfähig waren. »Es begann, als wir klein waren. Später hatten wir dann für eine Weile Ruhe, doch plötzlich fing es vor einigen Jahren wieder an, als sie Papa zu Hause besuchte und ihm das Geld aus der Tasche lockte.«
    Ihre Stimme klang einförmig.
    »Er ist ja inzwischen alt geworden und flog bestimmt jedes Mal auf ihre Methoden herein. Er war eine leichte Beute«, spuckte sie dann nahezu aus. »Sie fuhr ihn geradewegs zum Geldautomaten, das war das Erste, was sie taten, wenn ich es richtig erinnere. Ich habe jedenfalls mit eigenen Augen gesehen, wie sie vor der Bank in der Storgatan geparkt hat und Papa behilflich gewesen ist, indem sie seine Kreditkarte in den Automaten führte und anschließend das Geld herauszog, während er im Auto sitzen blieb. Er ist ja nicht mehr so gut zu Fuß.«
    Ihre Augen
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