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Tödliche Absicht

Tödliche Absicht

Titel: Tödliche Absicht
Autoren: Lee Child
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Ordner parallel zur langen Kante der Schreibtischplatte aus. Dann verschob er ihn wieder parallel zur kurzen Kante.
    »Lassen Sie mich den Advokaten des Teufels spielen«, sagte er. »Ich habe Sie vor vier Monaten befördert. Vier Monate sind eine lange Zeit. Sich dafür zu entscheiden, jetzt einen Außenstehenden hinzuzuziehen, könnte auf einen gewissen Mangel an Selbstvertrauen hindeuten. Finden Sie nicht auch?«
    »Darüber mache ich mir keine Gedanken.«
    »Sollten Sie aber«, entgegnete Stuyvesant. »Die Sache könnte Ihnen schaden. Ihren Job wollten auch sechs Männer haben. Ziehen Sie diese Sache durch, und sie wird bekannt, haben Sie echte Probleme. Es gibt ein halbes Dutzend Aasgeier, die für den Rest Ihrer Karriere Ich hab’s gleich gesagt! krächzen werden. Weil Sie angefangen haben, Ihre eigenen Fähigkeiten in Frage zu stellen.«
    »Bei dieser Sache muss ich meine eigenen Fähigkeiten in Frage stellen, glaube ich.«
    »Glauben Sie?«
    »Nein, ich weiß es. Ich sehe keine Alternative.«
    Stuyvesant schwieg.
    »Ich bin nicht glücklich darüber«, fuhr Froelich fort. »Das können Sie mir glauben. Aber ich denke, dass es getan werden muss. Das ist meine persönliche Einschätzung.«
    Stuyvesant sagte nichts.
    »Genehmigen Sie’s also?«, fragte Froelich.
    Stuyvesant zuckte mit den Schultern. »Das sollten Sie gar nicht fragen. Sie hätten’s einfach tun sollen.«
    »Nicht meine Art«, meinte Froelich.
    »Gut, dann erzählen Sie niemandem davon. Und halten Sie nichts schriftlich fest.«
    »Das habe ich ohnehin nicht vor. Es würde unsere Effektivität mindern.«
    Stuyvesant nickte vage. Dann sprach er als der gute Bürokrat, der er geworden war, die wichtigste Frage an.
    »Wie viel würde diese Person kosten?«
    »Nicht viel«, antwortete Froelich. »Vielleicht überhaupt nichts. Möglicherweise nur die Spesen. Ich habe eine Art Biografie zusammengestellt. Theoretisch. Gewissermaßen.«
    »Die Sache könnte Ihre Karriere blockieren. Keine Beförderungen mehr.«
    »Die Alternative würde meine Karriere beenden. «
    »Sie waren meine Wahl«, sagte Stuyvesant. »Ich habe Sie ausgesucht. Deswegen schadet alles, was Ihnen schadet, auch mir.«
    »Das ist mir klar, Sir.«
    »Holen Sie also tief Luft, und zählen Sie bis zehn. Dann sagen Sie mir noch einmal, dass diese Sache wirklich notwendig ist.«
    Froelich nickte, atmete tief durch und schwieg zehn bis elf Sekunden lang.
    »Sie ist wirklich notwendig«, bestätigte sie.
    Stuyvesant nahm den Ordner vom Schreibtisch.
    »Okay, machen Sie’s«, sagte er.
    Sie begann unmittelbar nach der Strategiebesprechung, als ihr plötzlich bewusst wurde, dass die Umsetzung der schwierige Teil war. Die Genehmigung einzuholen war ihr als solche Hürde erschienen, dass sie diesen Teil in Gedanken als die schwierigste Etappe des gesamten Projekts eingeschätzt hatte. Aber jetzt kam es ihr wie ein Kinderspiel im Vergleich zu dem Problem vor, ihre Zielperson tatsächlich aufzuspüren. Sie besaß lediglich einen Nachnamen und eine lückenhafte Biografie, die vor acht Jahren zutreffend und auf dem aktuellen Stand gewesen sein mochte, falls sie sich überhaupt richtig an die Details erinnerte. Ihr Liebhaber hatte sie damals spätnachts beiläufig erwähnt – als Bestandteil ihres Bettgeflüsters. Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie aufmerksam zugehört hatte. Deshalb beschloss sie, nicht auf die Details zu vertrauen, sondern allein auf den Namen.
    Sie schrieb den Namen in großen Druckbuchstaben auf das erste Blatt eines gelben Blocks. Er rief viele Erinnerungen wach – manche schlecht, die meisten gut. Sie starrte ihn lange an, dann strich sie ihn durch und schrieb stattdessen UNBEKANNT hin. Das würde ihre Konzentration fördern, weil es die ganze Sache unpersönlich machte. Es ließ ihr Denken routinemäßig ablaufen, versetzte sie sozusagen in die Grundausbildung zurück. Ein UNBEKANNTER war jemand, der identifiziert und aufgespürt werden musste.
    Ihr wichtigster operativer Vorteil war Computerpower. Sie hatte Zugang zu weit mehr Datenbanken als der normale Bürger. Der UNBEKANNTE war beim Militär, das wusste sie sicher, deshalb fragte sie beim National Personnel Records Center an. Es befand sich in St. Louis, Missouri, und seine Datenbank enthielt Angaben über buchstäblich jeden Mann und jede Frau, die jemals irgendwo eine amerikanische Uniform getragen hatten. Sie gab den Nachnamen ein und wartete, bis die Auskunftssoftware mit drei Kurzmeldungen antwortete. Eine
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