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Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)

Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)

Titel: Töchter des Mondes, Band 01: Cate (German Edition)
Autoren: Jessica Spotswood
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müssen.
    Da kommt auf einmal eine Erinnerung wieder hoch – wie ich durch den Garten renne und von einem hellblonden Jungen mit schelmischen grünen Augen gejagt werde. Wie ich mich von ihm fangen und durchkitzeln lasse, bis ich keine Luft mehr bekomme. Wie er mich ansieht, seine sonnengebräunte Stirn beinahe meine berührt, während er mich ins Gras drückt. Wie er lacht und sich von mir rollt, mit Wangen so rot wie Mauras Haare, und es auf einmal klar war, dass wir zu alt für solche Spiele waren.
    Ich beiße mir auf die Unterlippe – eine nicht gerade damenhafte Angewohnheit, ich weiß, und eine, die Tess mir abgeguckt hat. »Was willst du denn machen? Wovon halte ich dich denn ab? Nachmittagstees bei Mrs Ishida? Einkaufsbummel mit Rose Collier und Cristina Winfield?«
    »Nein. Ich weiß nicht. Vielleicht!« Maura fängt an, auf und ab zu gehen.
    Ach du meine Güte. Wenn das verlockende Alternativen sein sollen, fühlt sie sich wirklich einsamer, als ich dachte. »Niemand hält dich davon ab, Freundschaften zu schließen. Du könntest, wann immer du willst, die Mädchen aus dem Ort zum Tee einladen.«
    »Als ob sie hierherkommen würden! Die Mädchen aus dem Ort kennen uns doch kaum, und wir rennen rum wie Vogelscheuchen. Außerdem bist du die Älteste; du müsstest die Gastgeberin sein, doch du würdest ja lieber als Einsiedlerin leben.«
    Ich lasse mich auf Mauras Bett sinken und streiche die gelbe Tagesdecke glatt, die Mutter während einer ihrer langen Genesungszeiten genäht hatte. Maura hat recht, ich würde keinen Gefallen daran finden, oberflächliche Konversation mit den Klatschweibern aus dem Ort zu betreiben. Aber ich würde es tun. Für sie. Um uns zu schützen. »Möchtest du das wirklich?«
    Sie dreht den alten Globus, den Vater ihr zu ihrem letzten Geburtstag geschenkt hat. »Ich weiß nicht. Ich will jedenfalls mehr als das hier, und wir müssen langsam anfangen, an unsere Zukunft zu denken, oder nicht? Wie sollen wir jemals jemanden finden, der uns heiratet, wenn wir nie das Haus verlassen?«
    »Du tust ja geradezu so, als wären wir ans Haus gefesselt«, wende ich ein. »Wir gehen doch aus.«
    »Zum Gottesdienst und zum Klavierunterricht.« Maura dreht den Globus schneller, bis er eine blaugrüne verschwommene Masse von Orten ist, die wir niemals sehen werden. »Für dich ist ja alles schön und gut. Du wirst Paul heiraten und Kinder von ihm bekommen und für immer nebenan wohnen. Wie du dabei vor lauter Langeweile nicht umkommen wirst, ist mir schleierhaft, aber zumindest ist das schon mal abgemacht. Doch was ist mit mir?«
    Ich ignoriere die Stichelei. »Es ist noch gar nichts abgemacht. Er hat es ja nicht einmal für nötig gehalten, auch nur ein einziges Mal nach Hause zu kommen, um mich zu besuchen.« Ich arrangiere ihre Kissen in einer ordentlichen Reihe und plustere sie dabei mit mehr Kraft als notwendig auf. »Wahrscheinlich hat er sich schon längst in ein Mädchen aus der Großstadt verliebt.«
    »Hat er nicht.« Maura lächelt mich schief an. »Das hätten wir mitbekommen. Mrs McLeod hätte es jedem im Ort erzählt.«
    Da Mr McLeod krank und bettlägerig ist, hat Paul als Einzelkind das Los gezogen, die einzige Freude seiner Mutter zu sein. Ihre Hätschelei macht ihn wahnsinnig. Es überraschte mich zunächst, dass er zur Universität ging, denn er war in der Schule nie besonders gut gewesen. Vater musste ihm sogar Förderunterricht geben. Doch inzwischen denke ich, dass er einfach seinem trostlosen Zuhause entkommen wollte. Trotzdem ist das keine Entschuldigung, nie zu Besuch zu kommen. Er ist seit vier Jahren nicht mehr hier gewesen, nicht einmal zu Weihnachten. Noch nicht einmal zu Mutters Beerdigung.
    »Nun, du wirst es nächste Woche herausfinden, nicht wahr?« Maura steht vor dem Spiegel und fährt sich mit Mutters altem Schildpattkamm durch die Locken. »Bist du nervös?«
    »Nein«, lüge ich. »Es ist doch bloß Paul. Außerdem bin ich sauer auf ihn.«
    »Nun, das musst du wohl verwinden. Es ist ja nicht so, als ob die Männer Schlange stehen würden, um dich zu heiraten.« Maura betrachtet mich, wie ich ausgestreckt auf ihrem unordentlichen Bett liege. »Du solltest die Gouvernante überreden, dir ein neues Kleid zu bestellen. Etwas Modisches. So kannst du dich ihm jedenfalls nicht präsentieren.«
    »Paul wäre das egal.« Wäre es das? Dem Jungen, mit dem ich aufgewachsen bin, schon.
    Aber wahrscheinlich sollte ich meinen Stolz ablegen und mir Mühe geben, ihm zu
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