Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft
Autoren: Bernard Glemser
Vom Netzwerk:
ungünstige Flugbedingungen sind nicht zu erwarten. Das ist alles. Danke.« Schnapp! Eine markige, kleine Rede mit nicht einem Wort zuviel. Ich sah ihn förmlich vor mir in der Kanzel am Steuerknüppel, umgeben von Zifferblättern und Hebeln und Schaltern, schlank und braungebrannt und gefährlich, insgeheim alle diese Passagiere verabscheuend, die aus seiner herrlichen Maschine einen Hottentottenkraal machten. Einen Mann, der seinem Ruf folgte, mit starken Handgelenken, bedeckt mit feinen, seidigen, schwarzen Haaren, mit schwarzen Augenbrauen und wachen, in die Ferne schauenden Augen. Und ich träumte, vielleicht ist er mein Schicksal. Vielleicht. Es war nicht allzu wahrscheinlich, wenn man die Statistik kannte. Vierundachtzig Prozent aller Flugkapitäne waren verheiratet, es blieben also nur sechzehn Prozent für die Freuden einer Romanze mit einem Mädchen wie mir. Die eine Waagschale war zu hoch beladen; schließlich gibt es Scharen von Mädchen wie mich. Ganze Zillionen, sozusagen.
    Der Flugkapitän hatte seine Ansprache noch nicht ganz beendet, als mein Nachbar einen kleinen Seufzer ausstieß, seinen Sitzgurt losschnallte und ein Päckchen Zigaretten und ein vergoldetes Feuerzeug hervorzog. Er schielte mich von der Seite an, zögerte und fragte dann: »Möchten Sie eine Zigarette, Miß?«
    Auch ich zögerte, und im Bruchteil einer Sekunde veränderte sich mein ganzes Wesen. Ich sagte: »Ja, danke, Sir, sehr gern«, und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.
    Nun, ich wußte schon seit Jahr und Tag, daß ich niemals eine Zigarette von einem fremden Mann annehmen dürfe. Wie harmlos sich das Angebot auch geben mag, es ist eine Falle. Eine erbärmliche, kleine Zigarette, und man ist dem Mann verpflichtet, man muß mit ihm reden, muß zuhören, was er einem alles über seine Familie erzählt und über seine Arbeit, und was er in Philadelphia getan hat am vergangenen Dienstag, und man weiß nie, wo das letzten Endes hinführt. Besonders wenn man als Mädchen allein reist, kann ein einziges Wort zu höchst peinlichen Situationen führen. Und darum war ich bisher immer sehr darauf bedacht gewesen, mich damenhaft zu benehmen und mich um keinen Preis mit umherstreunenden Männern einzulassen.
    Aber in dem Bruchteil einer Sekunde, den ich in diesem Fall zauderte, zogen mir eine ganze Menge Gedanken durch den Sinn, inbegriffen eine Art visueller Rückschau auf mein Interview mit dem Mann der Magna International Airlines im Hauptbüro vor ein paar Wochen in der Park Avenue.
    Der Name des Mannes bei Magna International Airlines war A. B. Garrison — A. für Arnold. Der Raum, in dem er mich empfing, war riesenhaft, Quadratkilometer um Quadratkilometer leeren Büros, und als ich eintrat, rief er mir leutselig entgegen: »Hallo, Miß Thompson, ich freue mich, Sie kennenzulernen, kommen Sie, setzen Sie sich«, und er lächelte einladend, während ich die lange Meile bis zu dem Stuhl ihm gegenüber zurücklegte. Ich merkte natürlich, auf was es ihm ankam, auf den ersten Eindruck von mir — wie ich aussah, wie ich ging, wie ich sein >Hallo< quittierte, wie ich sein Lächeln erwiderte und so weiter und so weiter. Er war etwa vierzig, dicklich, umgänglich, und ich glaube, ihm war klar, daß ich wußte, er schätzte mich ab, denn als ich mich setzte, kicherte er und sagte: »Seien Sie nicht nervös, Miß Thompson, es wird ganz schmerzlos sein.« Seltsam, wie er mich gleich vom ersten Augenblick an davon überzeugte, daß er mir helfen wollte. Er war schlau wie der Satan, dem konnte ich nichts vormachen, selbst wenn ich es noch so raffiniert anstellte; aber ich hatte trotzdem dieses gute, ermutigende Gefühl, daß er auf meiner Seite sei. Während wir miteinander sprachen, gesellte sich eine sehr würdevolle Dame zu uns. Misses Montgomery, so stellte er sie vor, setzte sich neben Mr. Garrison, hörte aber die meiste Zeit nur unserer Unterhaltung zu, ohne ein Wort einzuwerfen.
    Auf Mr. Garrisons Schreibtisch lag ein ungeheurer Fragebogen, den ich vor ein paar Tagen ausgefüllt hatte und der mindestens zehntausend Fragen enthielt, angefangen von meinen Maßen (Oberweite, Taille, Hüfte, Schuhgröße, Hutnummer, Länge, Gewicht) bis zu meinem augenblicklichen Familienstand, Fragen über fehlende Zähne, sichtbare Narben, Schulbildung, bestandene Prüfungen, Aufzählung beruflicher Tätigkeiten, haben Sie diesen Fragebogen mit Ihren Eltern besprochen und so weiter und so weiter. Fragebogen von der Länge eines Armes scheinen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher