Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft
Autoren: Bernard Glemser
Vom Netzwerk:
sich zu denken. Sich selbst zu vergessen und nur noch für die anderen dazusein.«
    Ich wußte nicht, was ich antworten sollte.
    Sie lächelte. Sie sah reizend aus, auf einmal, als sie lächelte.
    »Hab’ ich Ihnen Angst gemacht?«
    »Nein, Madam.« Aber ich log.
    Sie stand auf und kam auf mich zu, die Hand ausgestreckt.
    »Ich werde Ihre Fortschritte mit Interesse verfolgen.«
    »Und ich ebenso«, sagte Mr. G.

    Nun: sie wären bestimmt hingerissen über meine Fortschritte, als mein Nachbar mir eine Zigarette anbot und ich sie annahm. In meinen Gedanken blitzte die ganze Unterredung auf, alles, was Mr. Garrison gesagt hatte, und die ernsten Worte von Mrs. Montgomery; und in diesem so erfüllten Bruchteil einer Sekunde dachte ich, okay, Thompson, hier ist deine große Chance. Vergiß dich selbst, vergiß, daß du ein gehemmtes weibliches Wesen aus Greenwich, Connecticut, bist, schlüpf in dein Geisha-Kostüm, versuch, ob es dir paßt.
    Himmel! Es wirkte Wunder. Ich war eine so vorzügliche Geisha, ich hätte beinahe angefangen zu lispeln.
    »Danke«, sagte ich, als ich die Zigarette nahm.
    »Gern geschehen«, sagte er.
    »Danke«, sagte ich, als er mir die Zigarette mit seinem vergoldeten Feuerzeug anzündete.
    »Gern geschehen«, sagte er.
    Ich wartete einen Augenblick ab, ob er es von hier aus allein schaffte. Aber nein. Er blieb stumm wie ein Fisch. So schenkte ich ihm ein aufmunterndes Lächeln und fragte: »Sie fliegen nach Miami?«
    Das war eine verdammt spitzfindige Frage. Die Maschine ging nur nach Miami — ohne jede Zwischenlandung. Aber das ist die Art, wie wir Geishas den Ball ins Rollen bringen.
    »Ja«, sagte er und strahlte. »Stimmt. Miami Beach.«
    »So was, ich fliege auch nach Miami Beach.«
    »Ja?«
    An diesem Punkt schien er zu scheitern. Er wußte wohl nicht recht, was er nun sagen sollte. Ich versuchte, ihm ein wenig zu helfen. »Ich bin noch nie in Miami Beach gewesen.«
    »Noch nie?«
    Junge, das war hartes Brot. Ich sagte: »Ich hab’ gehört, es soll fabelhaft sein. Mit wunderbaren Hotels und die Palmen und die Sonne.«
    »Ja.« Langsam fand er die Sprache wieder. »Wo wohnen Sie?«
    »Warten Sie mal.« Ich öffnete meine Handtasche und wühlte in dem Wirrwarr nach dem Brief von Mr. Garrison, in dem er mir schrieb, daß ich aufgenommen sei und wohin ich mich dann zu begeben habe. »Hier hab’ ich’s«, sagte ich. »Im Charleroi.«
    »Im Charleroi«, echote er. »Nun, das ist ein recht hübsches Hotel. Übrigens, Maxwell Courtenay ist ein alter Freund von mir. Netter Bursche, Maxwell.«
    »Ist er der Direktor dieses Hotels?«
    »Stimmt.« Er beugte sich vertraulich zu mir. »Hören Sie. Mein Name ist Nat Brangwyn. Wenn Sie im Charleroi ankommen, sagen Sie Maxwell, daß Sie mich kennen. Er wird sein möglichstes tun, um Sie bequem unterzubringen.«
    »Gem. Herzlichen Dank.«
    Ein leichtes Rosa färbte seine Wangen. »Ich geh aus und ein im Charleroi. Vielleicht stoß ich da mal auf Sie, wie?«
    »Nun, das hoffe ich, Mister Brangwyn.«
    »Sie haben da eine hübsche Bar, die Souvenir Bar. Wie war’s, wenn wir uns dort mal zu einem Drink träfen?«
    »Warum nicht, herzlichen Dank.«
    Das leichte Rosa vertiefte sich. »Wie wär’s mit heute abend?«
    »Es tut mir leid«, sagte ich. »Heute abend geht’s nicht«, und ich erklärte ihm, daß ich in Miami Beach zur Stewardeß der Magna International Airlines ausgebildet würde und daß wir uns heute abend dort melden müßten und daß ich zu tun haben würde, mich einzurichten.
    »Hör ich recht?« sagte er und riß die Augen auf.
    »Sie wollen sich als Stewardeß ausbilden lassen?«
    »Ja.«
    »Und Sie wohnen im Charleroi?«
    »Ja.«
    Er blinzelte mit den hübschen blauen Augen. »Du meine Güte. Warum das Charleroi?«
    »Weil man mich dort erwartet«, antwortete ich. »Was mich anbelangt, so ist das einfach ein Dach über dem Kopf.«
    »Ganz schönes Dach!«
    »Was wollen Sie damit sagen?« Ich konnte mir keinen Vers auf sein Benehmen machen.
    Er lächelte breit. »Ich hab’s.«
    »Was haben Sie?«
    »Maxwell. Ich kenne seine Schliche. Er hat den vierzehnten Stock an die Fluggesellschaft vermietet.«
    »Oh. Und das ist komisch?«
    »Sehen Sie mal«, sagte er sanft. »Der vierzehnte Stock ist eigentlich der dreizehnte. Von unten gezählt ist er das tatsächlich. Der dreizehnte Stock. Aber kein Mensch will im dreizehnten Stock wohnen, weil das eine Unglückszahl ist. Verstehen Sie?«
    »Ja.« Es dämmerte mir allmählich.
    »Also hat man
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher