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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft
Autoren: Bernard Glemser
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relativ gesehen, immer noch eine Schlampe aus Greenwich Village war. Ihre rotbraune Uniform war makellos, das Haar unter dem feschen, kleinen Käppi war makellos, ihr Teint war makellos, ihre Hände waren makellos, sie war so frisch und strahlend wie ein funkelnagelneuer Silberdollar.
    »Hallo, Mädchen«, wandte sie sich an Donna und mich. »Willkommen an Bord.«
    »Hallo«, sagten wir.
    Jetzt war sie an der Reihe, unsere Papiere zu prüfen.
    »Okay«, sagte sie und reichte sie uns zurück. Dann flüsterte sie: »Ihr beide habt Plätze vorn in der ersten Klasse.«
    »Wir«, sagte ich. »Und die anderen?«
    »Sie sind in der Touristenkabine. Wir müssen euch da unterbringen, wo es eben geht.«
    Sie bedeutete uns, in die Kabine zu gehen. Eine andere Stewardeß nickte uns zu, wir sollten den Gang entlanggehen. »Geht nur weiter, ihr zwei«, sagte sie, und wir gingen und gingen und gingen, und es kam mir vor wie der längste Weg, den ich je in meinem Leben zurückgelegt hatte. Ich hörte Alma heiser rufen: »Carola!« aber ich konnte nicht antworten. Nachdem wir die erste Meile hinter uns hatten, nahm uns eine dritte Stewardeß in ihre Obhut, und dann geleitete uns eine vierte Stewardeß auf unsere Plätze, und ich fand mich wieder in einem Sitz neben einem Mann in einem hellgrauen Anzug. Seine Krawatte war hellblau, und auch sonst paßte er in das Farbarrangement des Flugzeugs. Ich war zufrieden, ich war im Himmel.

    Ehe wir starteten, gab es eine ganze Menge Palaver, dem ich begierig lauschte. Eine der Stewardessen hielt eine bezaubernde Ansprache über den Lautsprecher; sie hieß uns willkommen im Magna International Airlines Yet 707 zum Flug 21 A. Dann stellte sie die anderen Stewardessen vor und auch sich selbst; sie erzählte uns auf eine reizende Weise von den vielen neuen und interessanten Ausrüstungsgegenständen unseres Flugzeugs; und dann ließ sie sich des längeren über Sauerstoff aus. Ich hatte niemals viel über dieses Thema nachgedacht.
    »Ha! Sauerstoff!« sagte der Mann neben mir.
    »Verzeihung, Sir?«
    »Der ist für Operationen«, sagte er.
    Er hatte eine etwas kratzige, rauhe Stimme, und ich fragte mich, ob ich ihn richtig verstanden hätte. Ich schaute ihn an; und er schaute mich an, er fing meinen Blick auf und wandte sich wieder ab. Und schon bildete ich mir ein, ich wisse Bescheid. Sein Gesicht war schmal und gespannt und asketisch, sehr empfindsam. Ich warf einen Blick auf seine Hände. Die Finger waren lang und konisch. Ein Chirurg, dacht’ ich’s mir doch. Wer sonst als ein Chirurg könnte die Bemerkung machen, Sauerstoff werde für Operationen gebraucht?
    Eine der Stewardessen kam den Gang entlang mit einer Sauerstoffmaske in der Hand und zeigte jedem, wie man sie anwandte. In der Decke der Kabine, über jedem Sitz, neben der Leselampe und dem Ventil, mit dem man sich Luft ins Gesicht blasen kann, waren geschickt verborgene Falltüren; und wenn diese Falltüren aufsprangen, fielen Sauerstoffmasken heraus und baumelten vor einem, so daß man seinen eigenen, privaten Vorrat hatte. Alles, was man tun mußte, war, wie üblich atmen und sich die Maske über Mund und Nase halten. Nichts war einfacher als das.
    Diese Prozedur war mir vollkommen neu, und vielleicht riß ich die Augen vor Erstaunen zu weit auf. Jedenfalls sagte der Mann neben mir: »Lassen Sie sich bloß keine Angst einjagen von dieser Sauerstoffgeschichte. Viel Lärm um nichts, das ist alles.«
    »Ich hab’ gar keine Angst.«
    »Um so besser. Machen Sie sich’s bequem. Es geht schon alles in Ordnung.«
    Er schenkte mir ein freundliches, ermutigendes Lächeln. Er ist nett, dachte ich: er meint es gut, aber ich mußte mich doch wohl selber korrigieren. Trotz seiner feinen Züge und feinknochigen Hände machte er nicht ganz den Eindruck eines Chirurgen. Ein Zahnarzt, das war wahrscheinlicher.
    Dann, ein paar Minuten später, rollten wir langsam an den Hallen vorüber, hinaus auf die Rollbahn. Wir warteten; und plötzlich erwachte das Flugzeug zum Leben. Der Mann neben mir kreuzte die Arme, schloß die Augen und schlief ein, seinen eigenen Rat befolgend. Wir fingen an zu rollen, im Schlendertempo, wir begannen zu laufen, zu springen, zu galoppieren, hinaus in die unendliche Weite; und dann, ohne jede Erschütterung, hatten wir die Erde verlassen, flogen durch Fahnen aus weißem Nebel und Ballen gelblicher Wolken. Blaues Wasser lag unter uns, und Landzungen und Siedlungen winziger weißer Häuser; und ich dachte, das ist wirklich
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