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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft
Autoren: Bernard Glemser
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herum, weg von Frank. Sein Wahnsinn schien aufzuflammen bei diesem neuen Hindernis, seine Knochen schienen noch klobiger zu werden.
    »Was, zum Teufel, geht hier vor?« sagte Frank. Er trat dicht heran und starrte einen Augenblick hinunter auf Barney. »Allmächtiger, wollen Sie diesen Mann umbringen? Lassen Sie ihn los, Sie Narr.«
    »Käpten, gehen Sie und steuern Sie Ihr Schiff.«
    Frank rief: »Ray!«, und mit einem Schritt war Ray an mir vorbei. Luke wandte langsam den Kopf von einer Seite zur anderen und blinzelte auf die beiden hinunter, wohl wissend, daß diese winzigen Feinde ihm in den Arm fallen wollten. »Jungs, geht mir aus dem Weg«, rief er. »Macht jetzt keinen Unsinn.«
    »Lassen Sie den Mann los«, sagte Frank.
    »Teufel, nein«, sagte Luke und zwang Barney in die Knie.
    Frank rief: »Pack den anderen Arm, Ray!« Sie stürzten sich beide gleichzeitig auf Luke. Sie klammerten sich an ihn, doch sie konnten ihn nicht von der Stelle bewegen; er schien Kraft zu sammeln, um sie abzuschütteln. Frank wandte sich verzweifelt an die anderen: »Kommen Sie, helfen Sie!« und zwei Viehzüchter sdnlurften zögernd herbei. »He, Luke«, sagten sie, »hör auf, ja, hör auf damit, Junge«, aber er fauchte sie nur an. Er hatte geradezu Schaum vor dem Mund.
    »Um Gottes willen, haltet ihm die Arme fest!« keuchte Frank.
    »Nehmt ihm diesen verdammten Krug weg!«
    »Den Krug! Den Krug!« schrie Frank ihnen zu. »Nehmt ihn ihm weg! Gleich schlägt er um sich damit.«
    Mit vier Mann versuchten sie, Luke zu Boden zu zwingen. Er war phantastisch stark. Seine goldgefaßte Brille war ihm auf die Nase gerutscht, er schwitzte aus allen Poren, weißer, schaumiger Speichel rann ihm aus dem Mund, aber noch immer hielt er Barney am Kragen gepackt und widerstand ihnen allen allein durch die Kraft seiner Muskeln. Endlich gab er einen Zentimeter nach, und noch einen Zentimeter, seine Knie schienen einzuknicken, und plötzlich ließ er Barney los und fuchtelte wild mit dem Ellbogen, um die vier abzuschütteln.
    »Nehmt den Krug!« fauchte Frank.
    Sie wollten sich an Luke klammern, doch es sah aus, als würde er noch größer, noch knochiger, noch rasender, und mit einem letzten gewaltigen Aufbäumen riß er sich los. »Jesus Christus«, schnaufte er, »den nehmt ihr mir nicht weg.« Und er hob den Krug mit beiden Händen hoch über den Kopf und schleuderte ihn mit aller Kraft in das nächste Fenster.

    Wir hatten einiges über diese Fenster gelernt während der viertägigen Ausbildung für Düsenmaschinen. Nicht weil man von uns erwartete, daß wir sie einmal wöchentlich putzen oder auseinandernehmen oder sonst irgend etwas mit ihnen anstellen sollten; sondern nur als ein Teil des Ganzen. Alle Fenster, den ganzen Rumpf entlang, bestanden aus drei dicken Scheiben gehärteten Glases: einer äußeren Scheibe, einer mittleren Scheibe und einer inneren Scheibe, luftdicht versiegelt und in ihrer Lage gehalten durch Klammern und Federn und Bolzen und der Himmel mag wissen, was noch. Fast nichts auf Erden vermag alle drei Scheiben zu durchschlagen, aber diesem betrunkenen alten Dinosaurier Luke gelang es beinahe. Der Steinkrug zerschmetterte die innere Scheibe und die mittlere Scheibe und splitterte die äußere Scheibe an; dann erst, vielleicht weil er auf einen der Bolzen aufgeprallt war, fiel er ins Flugzeug auf einen Sitz und weiter auf den Fußboden.

    Es gab ein ungeheures Wumm — einen riesigen Lärm wie von einer berstenden Bombe, die das Flugzeug in Fetzen riß. Ein tosender Sturm heulte um uns, begleitet von wütendem Donnergrollen. Die Kabine wurde dunkel von wirbelndem Staub. Trümmer flogen umher und Papiere, die der Wind sich griff. Ich sah Frank Hoffer zur Kanzel rasen, gebückt gegen den Staub und die Finsternis. Die Ohren wurden mir taub, und mir war, als sprengte es mir die Brust. Und mit einem Schlag sah ich ein, wieso und warum es einen Arnie Garrison, eine Peg Webley, eine Janet Pierce, eine Ann Shearer und all die anderen geben mußte. Im Bruchteil einer Sekunde der Fassungslosigkeit hörte ich fast auf, ein menschliches Wesen zu sein, ich wurde sozusagen zu einem Roboter, einer Art Maschine — die Zahnräder und Hebel in mir setzten sich automatisch in Bewegung. Denn dieses ungeheure Wumm war Luft, aus dem Flugzeug berstende Luft: unsere Luft. Dieser rasende heulende donnernde Wind war Luft, die dem Flugzeug entströmte: unsere Luft, die Luft, die unsere Körper wärmte und unsere Herzen schlagen ließ und unsere
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