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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft
Autoren: Bernard Glemser
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Angesicht. Er hatte sich rasiert und gewaschen und war fast wieder so gut wie neu, abgesehen von den Cowboystiefeln — allem Anschein nach derselbe Ray Duer, den ich für wenige kurze Stunden gekannt, geliebt hatte, über den ich geweint hatte, der Mann, dem ich meinen Busen als Fußbank dargeboten hatte.
    Er blieb stehen.
    Ich blieb stehen, und gleichzeitig blieb auch alles in mir stehen. Er sagte ruhig: »Hallo, Carol.«
    »Hallo, Sir.«
    Seine Augen waren ungewöhnlich schön ohne die Hornbrille, aber ziemlich kühl und forschend, als hätte er für mich nur ein rein wissenschaftliches Interesse. Er sagte: »Ich möchte mit dir sprechen. Kannst du dich eine Minute lang oder so setzen?«
    »Es tut mir leid, Sir, aber wir haben Schwierigkeiten mit der elektrischen Schalttafel in der —«
    Ich stockte, ich war entsetzt über mich. Warum stieß ich ihn immer und immer wieder vor den Kopf wie eine verwöhnte Göre? War ich immer noch nicht erwachsen geworden in all diesen Tausenden von Jahren der Einsamkeit?
    Er lachte befriedigt, als wäre dies bei all den wissenschaftlichen Beweisen, die er über mich zusammengetragen hatte, genau das, was er erwartet hatte — eine weitere Ausflucht, eine weitere schnippische Antwort, die mit >Es tut mir leid, Sir< begann wie üblich. Er sagte: »Es ist nichts Besonderes. Ich wollte dir nur sagen, daß ich gestern abend entschlossen war, nicht an diesem Flug teilzunehmen.« Er lachte wieder. »Aber Luke Lukas hatte andere Pläne. Ich nehme es ihm nicht übel, es ist alles wirklich meine Schuld.«
    »Ray —«
    »Mach dir keine Sorgen. Ich werde dich nicht mehr belästigen.«
    »Ich bin froh —«
    »Ich weiß, daß du froh bist!« sagte er barsch und wollte sich an mir vorbeidrängen.
    Ich sagte und tat alles, meine Stimme zu dämpfen: »Warum läßt du mich, nicht ausreden? Ich bin froh, daß Luke andere Pläne hatte, ich bin froh, daß du hier bist. Das meinte ich, als ich sagte, ich sei froh.«
    Er wandte sich um mit ärgerlicher Miene, als machte ich mich nur über ihn lustig; aber er konnte nicht anders, er mußte die Wahrheit erkennen. Wir starrten einander an, und die Erde hörte auf, sich zu drehen. Er sagte: »Carol«, aber ich mußte ihn verlassen. Ich hatte endlich so zu ihm gesprochen, wie mir ums Herz war, und es gab nichts, das ich hier in aller Öffentlichkeit hätte hinzufügen können, ohne in Tränen auszubrechen zum Gauch der anderen; und es mußte ihm für die nächsten Stunden oder so genügen, während wir fast mit Schallgeschwindigkeit auf Frankreichs Küste zubrausten. Dort würden wir allein sein, dort würden wir Gelegenheit haben, endlose Stunden lang zu sprechen, ohne eine Herde Viehzüchter, die um uns her die Ohren auf sperrte; aber selbst mit dieser tröstlichen Vorstellung gelang es mir kaum, in die Kombüse zurückzukehren.
    Kay war emsig dabei, Tabletts mit Gläsern bereitzustellen. Sie schaute mich nicht an, sie merkte nichts — Alma hätte es ganz gewiß bemerkt, daß ich auf der Fiesta gewesen war, daß meine Stimme sich verändert hatte. Und plötzlich, als ich dastand und zusah, wie sie beflissen hantierte, und nichts sah und nichts hörte, kam mir das Bild meiner anderen Freundin, Donna, in den Sinn, und irgend jemand — Thompson und wiederum nicht Thompson — sagte: >Mein Gott, ich bin froh, daß sie heute nicht hier ist.< Es war der reine Verrat. Nicht nur einmal, sondern viele, viele Male, wenn ich nach New Orleans und Washington und auf der Miami—New York-Strecke geflogen war, hatte ich gedacht, oh, ich wünschte, Donna wäre mit mir auf diesem Flug, wir hätten solchen Spaß zusammen — vor allem in New Orleans, auch in New York; sogar in Washington. Gute alte Donna. Sie hatte mir gefehlt wie mein rechter Arm. Aber nicht heute. Nicht auf diesem Flug. Ich konnte es nicht einmal ertragen, sie mir vorzustellen, wie sie den Gang entlangstöckelte mit diesen siebzig großen derben Burschen um sie herum. Ich konnte es nicht ertragen, mir das auch nur einen Augenblick lang vorzustellen. Es war das erste Mal, daß ich sie überhaupt nicht vermißte, daß es fast eine Freude war, sie nicht auf der Bildfläche zu sehen, fröhlich und lebhaft und munter und vergnügt. Diesmal war es gut, eine Kay Taylor bei sich zu haben, eine Janyce Hinds, die aus gleichem Holz geschnitzt war, und Mary Ruth Jurgens, die selbst der Königin von England kaum einen zweiten Blick geschenkt hätte.
    »Was, Zum Teufel, träumst du, Carol?« fragte Kay. »Steh
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