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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft
Autoren: Bernard Glemser
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sein seiner Erniedrigung. Ich wollte ihn so, wie er eigentlich war, und nicht diese Karikatur von ihm.
    Wie gesagt, eigentlich ereignete sich nichts zwischen Doktor Duer und mir, außer daß ich ihm eine Tasse schwarzen Kaffee eingoß und er anschließend genau sechs Worte zu mir sagte, von denen zwei mein Name, Miß Thompson, waren; und die fing Kay Taylor auf. Ihre Ohren flatterten, auf ihrem Radarschirm leuchteten überall große grüne Flecken auf, und sie war dicht auf der Fährte. Denn kaum waren wir beide wieder in der Kombüse und räumten die Reste des Lunchs weg, da fing sie an, über ihr Zuhause zu schwärmen, wie sie sich danach sehne, ihre Familie wiederzusehen, wie sie ihren alten Vater vermisse, dessen Steckenpferd es sei, Modellschiffe in Flaschen zu basteln, und so weiter. Zuhause war in ihrem Falle Rhode Island, und das überraschte mich nicht; sie war ein großes gesundes Mädchen mit Apfelbäckchen, die geradezu von frischer Luft glühten. Und all das führte ganz natürlich zu der natürlichsten Frage der Welt — sie hätte nicht natürlicher sein können, wenn sie aus einem Baumstamm gewachsen wäre: »Carol! wo bist du zu Hause?«
    »Greenwich.«
    »Greenwich, Connecticut?«
    »Ja«, sagte ich.
    Sie war verblüfft und sagte kein Wort mehr. Und wenn eine redselige Person wie Kay plötzlich den Mund nicht mehr aufkriegt, dann ist das ein sicheres Zeichen, daß sie einen laut und deutlich gehört hat.
    Nach dem Lunch wehte sozusagen eine andere Luft in unserer Kabine. Als ich hinüberging, um Jurgy einen kurzen Besuch abzustatten, spürte ich es auch drüben in der anderen Kabine. Jurgy war noch immer nicht nach vom gekommen, um Luke zu sehen, und ich fand, ich müsse bei ihr hineinschauen und sie über den letzten Stand der Dinge unterrichten.
    »Wie geht’s ihm?« fragte sie und erwartete das Schlimmste.
    »Er hat seinen Lunch gegessen.«
    »Hm. Sie trinken schwer da vom?«
    »Nun, mäßig bis unmäßig.«
    Sie bekam ihren verkniffenen Mund »Macht er Scherereien?«
    »Das Pokerspiel ist ein wenig laut, das ist alles.«
    »Er schüttet diesen Apfelschnaps in sich hinein, wie?«
    »Hin und wieder.«
    »Ich könnte ihn umbringen. Warum zum Teufel muß er das Zeug in sich hineingießen?«
    »Wahrscheinlich gefällt ihm der Geschmack. Wie ist die Lage bei euch?«
    »Die Burschen werden langsam unruhig.«
    »Bei uns auch. Es ist ja auch ein langer Flug.«
    Ja, es wehte eine andere Luft, ich spürte es ganz deutlich, als ich zurückging. Mittlerweile waren überall lärmende Kartenspiele im Gange. Ich wurde wohl ein halbes Dutzend Mal angehalten, um Bestellungen auf Getränke entgegenzunehmen. Ich konnte es verstehen. Drei Tage lang war es hoch hergegangen im Charleroi auf dieser angeblichen Tagung, die sie am Abend zuvor mit einer Feier gekrönt hatten, die unbeschreiblich gewesen sein soll. Einige hatten ihren Rausch am Morgen ausgeschlafen, einige waren beim Lunch nüchtern geworden; und nun waren sie alle darauf aus, sich von neuem ins Vergnügen zu stürzen. Einer der Männer, ein großer, schwerfälliger Bursche mit den aufreizendsten braunen Augen, sagte, als er mir seine Bestellung aufgab: »Hören Sie, wie wär’s, wollen Sie sich nicht ein bißchen zu uns setzen und auch was trinken?«
    Ich sagte: »Es tut mir schrecklich leid, Sir, aber das darf ich nicht. Wenn der Kapitän mich dabei erwischte, ich würde in Ketten gelegt.« Die anderen Männer lachten, aber er nicht. Der Blick seiner aufreizenden braunen Augen blieb starr auf den obersten Knopf meines Jacketts gerichtet.
    »Spaß beiseite«, sagte er. »Setzen Sie sich zu uns, nur für eine Minute. Wir beschützen Sie.« Ich schenkte ihm mein leeres dämliches Lächeln, als wäre er der witzigste Bursche auf der ganzen weiten Welt, und ging weiter.
    Ray saß nicht auf seinem Platz. Wahrscheinlich brachte er sich ein wenig in Ordnung. Aus dem vorderen Salon drang ein wildes Getöse, und Lukes Stimme übertönte alles. Ich stockte, doch dann ging ich nachsehen, was dort los sei. Die fünf spielten noch immer Poker, und zu ihnen hatten sich noch ein paar als Kiebitze gesellt. Nun, noch waren die Möbel heil, wenngleich es klang, als legten sie alles in Trümmer... Sie brüllten gerade über irgendeinen Witz von Luke, und er brüllte dagegen an und spülte sich den Mund aus dem Steinkrug.
    Als er mich sah, johlte er: »Carol, Herzchen! Komm her! Komm!« Er gab seinem Nebenmann einen Schubs. »Rück mal ‘n bißchen, Barney, damit Carol
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