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Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft
Autoren: Bernard Glemser
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allesamt aussehend, als hätten sie die Nacht in einem Graben zugebracht, inbegriffen der Mann meiner Träume, Doktor Ray Duer; und allen voran Luke, einen riesigen Steinkrug, wahrscheinlich voller Apfelschnaps, schwenkend, und allesamt verwickelt in ein hitziges Wortgefecht mit den Oberbonzen der Magna Airlines, während der Fotograf sich geradezu wie ein Verrückter abzappelte, um diese Szene für die Nachwelt festzuhalten. Der Anlaß des Streits stand da und muhte kläglich, blökte nach seiner Mutter — ein armes bedauernswertes Kälbchen mit einer Girlande aus Hibiskus-Blüten um den Hals und einem dicken roten Samtseil als Halfter, das nur aus dem Sonnenkönigssaal des Charleroi stammen konnte. Offensichtlich wollten diese Melonenbehüteten das Kalb an Bord bringen, damit sie es durch Paris führen und den unwissenden Eingeborenen zeigen konnten, wie ein echtes amerikanisches Kalb aussah. Wohingegen die Magna-Bande es überhaupt keinem Kalb, ob amerikanisch oder nicht, erlaubte, einen Fuß oder Huf in ihre schöne lilienweiße Boeing 707 zu setzen. »Wir haben bezahlt für dieses verdammte Flugzeug«, brüllte Luke; und der Flugdienstleiter, der sich anscheinend entschlossen hatte, Gewalt mit Gewalt zu begegnen, brüllte zurück: »Sie haben nicht dafür bezahlt, irgendwelche verdammten Viehherden zu transportieren.«
    »Zum Teufel, wir transportieren, was uns gefällt«, donnerte Luke, und der Flugdienstleiter donnerte ihm ins Gesicht: »Zum Teufel, aber kein Vieh, bestimmt nicht! Außerdem gibt es ein Gesetz dagegen.«
    Dies ist eines der erstaunlichsten Dinge, das ist mir schon oft aufgefallen: Nichts auf der Welt zähmt so gründlich und schnell irgend so ein riesiges ungeschlachtes rauhbeiniges, einen Meter neunzig langes, zwei Zentner schweres randalierendes amerikanisches Mannsbild, als wenn man ihm — sagt, dagegen gibt es ein Gesetz. Wir sollten wirklich ungeheuer stolz darauf sein, daß unsere Regierung so viel Respekt einflößt. Selbst Luke ließ von seinem Vorhaben ab, als der Flugdienstleiter anfing, das betreffende Gesetz zu zitieren. »Absatz zehn, Paragraph drei«, sagte er mit Autorität in der Stimme. »Kein Passagier, der ein Passagierflugzeug benutzt in den Vereinigten Staaten oder ihren Territorien oder Besitzungen darf transportieren oder transportieren lassen oder planen zu transportieren Geflügel, Haustiere, inbegriffen Schweine, Ziegen, Schafe, Rinder oder sonstige Tiere, tot oder lebendig, mit Ausnahme der in Unterabteilung sieben aufgeführten Tiere, bei einer Strafe von mindestens fünfundzwanzigtausend Dollar oder fünf Jahren Gefängnis oder beidem. — Na, was sagen Sie nun?« Wenn die Worte nicht zündeten! Es hätte mich gar nicht gewundert, wenn er sie eben erst erfunden hätte — ich meine, es klang ein wenig zu gesetzmäßig, um gesetzmäßig zu sein; aber es brachte die Bande augenblicklich zum Schweigen, nahm ihr allen Wind aus den Segeln. Mr. Casey aus der Verpflegungsabteilung goß noch Öl auf die aufgewühlten Wogen, indem er versicherte, er werde sich des armen kleinen Kalbes annehmen, als wäre es sein eigenes (das möchte ich wetten). Und schließlich, angeführt von Kay, wurden die sechs an Bord geleitet und wiedervereinigt mit ihren johlenden Kumpanen.
    Natürlich hatten wir Verspätung, es wurde höchste Zeit, daß wir fortkamen. Kay und ich brachten die sechs, so schnell wir konnten, auf ihre Plätze. Luke wollte sich nicht von dem großen Steinkrug trennen, er wollte ihn nicht einmal aus der Hand geben, um den Sitzgurt anzuschnallen. Ich hatte richtig geraten, der Schnaps in dem Krug war Apfelschnaps. »Kosten Sie mal«, sagte er zu Kay. »Hab’ ich selber gebraut. Bester Apfelschnaps in der ganzen weiten Welt. Versuchen Sie mal, kleine Dame.«
    »Nicht jetzt, Sir«, sagte Kay. »Wir haben noch eine Menge zu tun.«
    Die anderen vier Viehzüchter waren ziemlich leicht zu handhaben, aber Ray Duer war ein Jammerbild. Bei Gott, er bot einen fürchterlichen Anblick. Er bot einen solchen Anblick, daß ich mir sagte, die Magna-Bonzen müssen ihn nicht erkannt haben während des Palavers um das Kalb, sonst hätten sie ihn bestimmt nicht an Bord gelassen. Ei- hatte seine Hornbrille verloren. Er war unrasiert. Sein Gesicht sah aus, als hätte er sich mit Holzkohl geschminkt. Seine Hände waren schwarz. Sein Anzug war voller Flecken. Irgendwo und — wann hatte er ein Paar Cowboy-Stiefel aufgetrieben mit hohen Absätzen, die ihn, man sah es ihm geradezu an,
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