Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft
Autoren: Bernard Glemser
Vom Netzwerk:
nicht einfach so ‘rum. Bring diese Getränke ‘raus.«
    »Ach, ich war meilenweit fort.«
    »Nun, komm wieder zurück. Wie geht’s Doktor Duer?«
    »Er sieht ganz gut aus.«
    »Frag ihn, ob er Kaffee haben will — er kann wahrscheinlich einen brauchen. Und trödele nicht herum. Es ist nach drei, es wird langsam Zeit, den Imbiß zu servieren.«
    Ich segelte hinaus mit den Tabletts. Im Salon war es noch immer laut, Lukes Stimme war, wenn möglich, noch dröhnender denn je, und ich überlegte, ob es nicht an der Zeit wäre, daß Jurgy ihm einen kleinen freundlichen Besuch abstatte, um ihm in ihrer eigenen liebevollen Art zu sagen, er möge ein wenig Ruhe geben.
    Ich traute mich nicht, Ray in die Nähe zu kommen, ehe ich nicht alle Getränke an den Mann gebracht hatte. Ich konnte mir nicht helfen, ich zitterte wieder. Er beobachtete mich, als ich auf ihn zukam.
    Ich sagte: »Möchten Sie einen Kaffee, Sir?«
    Er antwortete nicht. Er starrte mich argwöhnisch an.
    Ich sagte: »Bitte, verstehen Sie mich recht. Miß Duprez hat uns aufgetragen, auf diesem Flug ganz und gar formell zu bleiben, ich darf nicht einmal mein Jackett ausziehen. Wie wär’s also mit einem Kaffee, Sir?«
    »Nenn mich nicht Sir.«
    »Nein, Sir.«
    »Beantworte mir eine schlichte Frage«, sagte er. »Willst du nachher, wenn wir in Paris ankommen, mit mir dinieren?«
    »Von Herzen gern, wirklich. Liebend gern, Ray, aber ich fürchte, es wird zu spät sein zum Dinieren. Die Essenszeiten sind anders in Frankreich.«
    Seine Augen waren noch immer auf der Hut. »Dann soupieren wir eben.«
    »Ja«, sagte ich. »Nichts könnte mich glücklicher machen.«
    »Im Maxim?« sagte er, und ehe ich noch antworten konnte, brach die Hölle los.

    Es war Luke. Er war tollwütig geworden. Vollkommen tollwütig. Die blaßblauen Augen hinter den goldgefaßten Brillengläsern sprangen ihm fast aus dem Kopf. Schweiß rann ihm über das Gesicht. Er brüllte und fluchte unzusammenhängend, in der einen Hand hielt er den Steinkrug, mit der anderen Hand zerrte er einen anderen Mann den Gang entlang. Der Mann war Barney, er hatte im Salon beim Pokerspiel neben Luke gesessen, ein großer, harmlos aussehender Bursche, den ich kaum bemerkt hatte. Der arme Teufel war völlig wehrlos, Luke hielt ihn an Schlips und Kragen gepackt und preßte ihm seine großen hervorstehenden Knöchel in die Kehle. Bamey rang nach Atem und keuchte schwer, während Luke ihn schüttelte und vorwärtsstieß. Alie waren aufgesprungen bei dem Lärm — Luke brüllte, und Barney zappelte und stolperte hinter ihm her. »Bitte setzen Sie sich wieder«, rief ich. »Bitte setzen Sie sich hin.« Und Ray zischte ich zu: »Bleib hier, bleib ruhig hier!« Er sollte sich nicht in den Streit einmischen; und dann rannte ich auf Luke zu. »Luke! Hör auf!«
    Aber er war von Sinnen. Er schien mich überhaupt nicht zu sehen. Ich versuchte, seine Hand von Barneys Kehle fortzuzerren. Er sagte heiser: »Geh mir aus dem Weg, kleine Dame. Dieser lausige stinkende Hundesohn, er hat den Namen meiner Mary Ruth besudelt. Er muß Abbitte leisten, er muß ihr die Schuhe küssen, oder ich bringe ihn um.«
    Es war ein Alptraum, nur in alten Fernsehfilmen führten sich Menschen so auf, aber niemals im wirklichen Leben, und doch war es Wirklichkeit: ein Düsenflugzeug, das mit einer Geschwindigkeit von mehr als sechshundert Meilen in der Stunde mehr als dreißigtausend Fuß hoch über der Erde flog. Gott weiß, wer dieser Barney eigentlich war oder woher er kam; und vielleicht hatte er wirklich Mary Ruths Namen besudelt — unter diesen Männern da im Salon war alles möglich, sie waren allesamt benebelt vom Alkohol. Und es war sehr leicht möglich, daß Luke ihm den Garaus machte.
    Ich schrie Luke an, aber er hörte mich nicht, er sah mich nicht, er drängte sich weiter, als wäre ich überhaupt nicht vorhanden, er fauchte, er schüttelte den Kopf, um den strömenden Schweiß aus den Augen zu entfernen, er schwang den Steinkrug mit Apfelschnaps wie eine riesenhafte Keule, um sich den Weg zu bahnen. Auf einmal fühlte ich Ray Duer hinter mir; und ich schrie: »Ray, nein! Misch dich nicht ein!« Im selben Augenblick sah ich Frank Hoffer auf uns zulaufen und ihm auf den Fersen Kay Taylor. Sie mußte, als sie den Aufruhr gehört hatte, geradenwegs in die Kanzel gestürzt sein, Gott sei Dank. Frank brüllte: »Lukas! He, Lukas!«
    Luke blieb stehen. Er kniff die Augen zusammen. Er versetzte Barney einen jähen Stoß und zerrte ihn
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher