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Todfeinde

Todfeinde

Titel: Todfeinde
Autoren: authors_sort
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Nicht mal Marybeth wusste davon. Er fragte sich kurz, ob auch Will Jensen seinen Letzten Willen zu Papier gebracht hatte.
    Nate Romanowski lebte in einem kleinen Steinhaus am Ufer des Twelve Sleep River, zehn Kilometer abseits der Landstraße. Er war Falkner, und in seinem Stall hatte er drei Raubvögel: einen Wanderfalken, einen Rotschwanzbussard und einen eben flügge gewordenen Präriefalken. Doch als Joe auf sein Grundstück einbog, sattelte Nate gerade einen Bison. Zwei unübersehbare Veilchen zierten sein Gesicht; außerdem war seine Nase auf Glühbirnengröße angeschwollen.
    Ein paar Monate zuvor hatte er Joe von seiner neuen Begeisterung für Bisons erzählt, die von einem alten Zeitungsartikel rührte, den er aus einem Mauerriss seines Hauses zutage befördert hatte – dem Erlebnisbericht eines Korrespondenten, der bei einem Rodeo in Cheyenne Frauen auf wilden Bisons hatte reiten sehen. Offenbar hatten sie sich auf die Tiere geschwungen und waren dann in die Arena losgelassen worden, wo sie sich möglichst lange auf dem Rücken halten mussten. Ein unscharfes Foto zeigte ein Cowgirl in Kleid und ausgeleierten Pantalons auf einem massigen Bullen, der auf dem Foto jedoch durchaus sanftmütig wirkte. Diese Reportage habe ihn, so Nate, fasziniert, da er nie vermutet hätte, Menschen könnten Bisons reiten. Und dann habe er sich gefragt, ob ihm das auch gelänge. Die Idee war rasch zur Obsession geworden. Sheridan, die jeden Freitagnachmittag von Nate Falknerstunden bekam, hatte Joe gegenüber erwähnt, Nate habe einem Rancher aus der Gegend von Clearmont einen Bison abgekauft. Das war er also.
    Joe parkte seinen Pick-up neben Nates ramponiertem Jeep und stieg aus. Der Nachmittag war klar und warm, und der Fluss rauschte leise.
    »Ich konnte keinen normalen Sattel hernehmen«, sagte Nate zur Begrüßung. »Die Gurte waren fast einen Meter zu kurz. Also musste ich eigens welche anfertigen, damit es klappt.«
    Romanowski war drei Jahre zuvor in Saddlestring aufgetaucht. Er war groß, schlaksig und knochig und trug das lange, blonde Haar zum Pferdeschwanz gebunden. Seine Nase glich dem Schnabel eines Falken, und seine eiskalten blauen Augen blickten stechend. Die meisten Bewohner des Landkreises fürchteten ihn, und manch einer hatte sich gefragt, wie Joe mit einem Mann befreundet sein konnte, der mit einer .454er Casull – einer großkalibrigen, durchschlagsstarken Handfeuerwaffe – herumspazierte. Nate war aus Montana gekommen, aus einer Gegend, wo zwei FBI -Agenten unter ungeklärten Umständen tödlich verunglückt waren, und Joe hatte fast unabsichtlich Nates Unschuld in Bezug auf einen weiteren Mordfall bewiesen. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis hatte er Joe und der gesamten Familie Pickett Treue gelobt und war von diesem Versprechen seither nie abgerückt. Gerüchte über Nates Vorleben munkelten auch von jahrelangen verdeckten Ermittlungen für eine geheime Abteilung des Verteidigungsministeriums. Zwar hatte Joe darüber nichts Näheres erfahren, wusste aber, dass diese Gerüchte stimmten. Und dass Nate zu gezielten Gewalttaten fähig war und gute Verbindungen zu fragwürdigen Personen und Gruppen in den Vereinigten Staaten und in der ganzen Welt besaß. Joe hatte keine Ahnung, wie er seinen Lebensunterhalt bestritt, nur, dass Nate manchmal wochenlang verschwand (wobei er Sheridans Falknerstunden stets vorher telefonisch absagte) und ihn mitunter warnte, zu bestimmten Zeiten nicht zu ihm rauszufahren – wenn er, so vermutete Joe, gewisse Besucher empfing. Doch darüber redeten sie nicht, obwohl Nate gelegentlich ein paar Köder auslegte. Doch Joe wollte von all dem nichts wissen.
    Der Bison stand inmitten der neuen, viereckigen Koppel. Sie war solide, an der Ostseite aber eingedellt, wohl, weil der Bison sich angelehnt oder den Kopf hindurchzustecken versucht hatte. Joe fragte sich, ob die Koppel das Tier aufhalten würde, falls es sich wirklich befreien wollte.
    Er legte die Arme auf die Umzäunung und setzte einen Stiefel auf die untere Querlatte. Er war jedes Mal wieder beeindruckt von der schieren Größe und Präsenz von Bisons: Riesige schwarzbraune Kerle mit enorm muskulösen Schultern und wolligem, ausgeprägtem Schädel, Geschöpfe mit Vorderradantrieb, die aus dem Stand auf über sechzig Stundenkilometer beschleunigten. Zwei kegelförmige, gebogene Hörner standen ihnen seitwärts vom Kopf ab. Marmorschwarze Augen leuchteten zwischen dicken, schmutzigen Locken hervor.
    Nate zog den
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